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Ausgabe 04/2018

„Mysterium“ Unterhaltsbemessung!

UNTERHALT. Sowohl für die Ermittlung des Ehegatten- als auch des Kindesunterhalts ist es zunächst notwendig, die jeweiligen Bemessungsgrundlagen zu ermitteln. Unterhalt wird bemessen und nicht berechnet. Allgemeines zum Ehegatten- und Kindesunterhalt. Von Birgit Leb

Der Ehegattenunterhalt wird grundsätzlich nach einer vom OGH entwickelten Berechnungsmethode ermittelt, wonach für den Fall, dass beide Ehegatten über ein Einkommen verfügen, zunächst das Familieneinkommen ermittelt wird, welches aus der Summe des durchschnittlichen monatlichen Einkommens beider Ehegatten resultiert, und davon 40% berechnet werden; davon werden weitere Sorgepflichten für andere unterhaltspflichtige Personen wie Kinder und/oder Ehegatten im Ausmaß von je 4% berücksichtigt und von dieser Summe wird das eigene Einkommen des Unterhaltsberechtigten abgezogen. Geht nur ein Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nach (z.B. „Hausfrauenehe“), so kommt ein Prozentsatz von 30% (vom durchschnittlichen Einkommen des verdienenden Ehegatten) zur Anwendung.

Auch der Kindesunterhalt wird je nach dem Alter und den Bedürfnissen eines Kindes nach der Prozentmethode ausgehend vom durchschnittlichen monatlichen Einkommen des Unterhaltsverpflichteten berechnet. Die Prozentsätze betragen 16% bis 22%. Von diesen Prozentsätzen sind für ein weiteres Kind unter zehn Jahren je 1% und für ein weiteres Kind über zehn Jahren je 2% sowie für den Ehegatten je nach Eigeneinkommen bis zu 3% abzuziehen. Für Lebensgefährten gebührt mangels gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung kein Abzug. Zu berücksichtigen ist weiters der Bezug der Familienbeihilfe, der im Wege einer ebenfalls von der Judikatur entwickelten Formel Berücksichtigung findet. Wesentlich ist, dass der Kindesunterhalt für Kinder über zehn Jahren mit dem 2,5-fachen Regelbedarf und für Kinder unter zehn Jahren mit dem zweifachen Regelbedarf gedeckelt ist (sogenannte Luxus- oder Playboygrenze). Beim Regelbedarf handelt es sich um Durchschnittsbedarfswerte für Kinder in einem bestimmten Alter, die jedes Jahr vom Justizministerium entsprechend der Preissteigerungsrate angepasst und für den Zeitraum vom 1.7. bis zum 30.6. eines jeden Jahres veröffentlicht werden.

Im Zusammenhang mit der Feststellung des durchschnittlichen Einkommens ist zwischen dem Einkommen eines selbstständigen und unselbstständigen Erwerbstätigen bzw. Unterhaltsverpflichteten zu unterscheiden. Während bei Selbstständigen das durchschnittliche Einkommen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre herangezogen wird, reicht für die Ermittlung des durchschnittlichen monatlichen Einkommens eines Unselbstständigen in der Regel der letzte Jahreslohnzettel aus. Zusätzlich kann es aber notwendig sein – etwa für die Ermittlung von Diäten oder Kilometergeld –, Einkommensteuerbescheide und die monatlichen Abrechnungsbelege vorzulegen, zumal sich diese Positionen aus einem Jahreslohnzettel nicht erschließen lassen.

Mangels ausreichender Kenntnisse beauftragen in der gerichtlichen Praxis Richter und Rechtspfleger zur Feststellung der Unterhaltsbemessungsgrundlage häufig von Amts wegen gerichtlich beeidete Sachverständige (Buchhalter, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) mit der Erstellung von Gutachten, welche in der Folge den Entscheidungen zu Grunde gelegt werden.

Unselbstständig Erwerbstätige

Maßgeblich ist das gesamte tatsächlich erzielte Einkommen aus der Erwerbstätigkeit und dem Vermögen. Mit einem Jahreslohnzettel findet man im Ehegatten- oder Unterhaltsverfahren damit häufig das Auslangen; eine grobe Einschätzung des durchschnittlichen Einkommens durch die Addition der Jahresnettoeinkünfte geteilt durch zwölf ist unzureichend, da insbesondere die steuerliche Begünstigung des 13. und 14. Gehalts/Lohns nicht berücksichtigt wird.

Miteinzubeziehen in die Bemessungsgrundlage sind aber generell alle tatsächlich erzielten Einkommensbestandteile aus einer Erwerbstätigkeit, wie Einkünfte aus Nebenbeschäftigungen, Überstunden, Sonderzahlungen, Zulagen, Prämien, Provisionen, Schwarzgeld, Trinkgelder etc. Erschwernis-, Gefahren- und Schichtzulagen finden jedoch nur dann Eingang, wenn diese nicht einem Mehraufwand dienen. Aufwandsentschädigungen (wie Taggelder, Diäten, Außendienstzulagen, bestimmte Sonderzulagen etc.), die nicht ausschließlich für einen berufsbedingten Mehraufwand verwendet werden, sind im Zweifel zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen.

Mangels ausreichender Kenntnisse beauftragen Richter häufig gerichtlich beeidete Sachverständige

Abzugsposten sind insbesondere krankheits- bzw. berufsbedingte Mehraufwendungen, soweit diese existenzbedrohend sind, sowie Investitionen, die dem Unterhaltsberechtigten zugute kommen. Weiters können Kreditrückzahlungen, die aufgrund von unabwendbaren außergewöhnlichen Belastungen notwendig werden, abgezogen werden.

Wirtschaftlicher Reingewinn beim Selbstständigen

Bei Selbstständigen ist für die Bemessungsgrundlage grundsätzlich der wirtschaftliche Reingewinn entscheidend; betrachtet wird sohin das Gesamteinkommen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben, wobei der Durchschnitt der letzten drei Jahre herangezogen wird, um die Umsatz- und Gewinnschwankungen, die die Tätigkeit eines Selbstständigen mit sich bringt, ausreichend zu berücksichtigen. Beim Unterhalt für die Vergangenheit (Rückstand) sind diese (vergangenen) Zeiträume maßgebend. Entscheidend sind aber auch zukünftige Entwicklungen eines Unternehmens. In der Praxis ist dies derzeit etwa bei Start-up-Unternehmen relevant.

Abschreibungen wirken dann gewinnmindernd, wenn diese effektive Ausgaben darstellen; dies betrifft auch Abfertigungsrückstellungen. Eine automatische Berücksichtigung von Gewinnfreibeträgen nach § 10 EStG erfolgt allerdings nicht. Bilanziert ein Unternehmer mit Verlusten, bilden in der Regel die Privatentnahmen die Einkommensgrundlagen, selbst wenn damit nur das private Leben finanziert wird.

Auch der Gewinnanteil bzw. eine Gewinnausschüttung gehört zur Unterhaltsbemessungsgrundlage; bei Gewinnthesaurierungen wird ex ante geprüft, ob diese aus betriebswirtschaftlichen Gründen geboten oder sinnvoll sind. Unter Umständen können auch fiktive Gewinnausschüttungen (insbesondere beim Alleingesellschafter) ins Treffen geführt werden.

Sonstiges Wichtiges

  • Zum Einkommen zählen auch (fiktive) Erträgnisse aus dem Vermögen, wie Mieteinnahmen, Leistungen aus Versicherungsverträgen usw.
  • Den Unterhaltspflichtigen trifft bei der Feststellung seines Einkommens eine Mitwirkungspflicht, widrigenfalls dieses nach freier gerichtlicher Würdigung geschätzt werden kann.
  • Wenn der Unterhaltspflichtige kein Einkommen erzielt, kann dieser nach seinen subjektiven Fähigkeiten (wie Alter, beruflicher Ausbildung) und anhand der konkreten Arbeitsmarktlage auf ein zumutbares Einkommen angespannt werden.

Erscheinungsdatum:

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