FÖRDERUNGEN. Über den Energiekostenzuschuss für Unternehmen und seine teilweise ungeklärten Zweifelsfragen. Von Michael Petritz, Oliver Mavhe und Michael Deichsel
Infolge des russischen Angriffskrieges sind die Energiekosten weltweit stark angestiegen. Um Unternehmen zu entlasten, hat der nationale Gesetzgeber einen Energiekostenzuschuss eingeführt, welcher, je nach beantragter Förderstufe bzw. in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Beeinträchtigung, einen nicht rückzahlbaren Zuschuss i.H.v. EUR 2.000,– bis EUR 50 Millionen für österreichische Unternehmen vorsieht. Insbesondere energieintensive Unternehmen sollen dabei gefördert werden. Darüber hinaus sind seitens des antragstellenden Unternehmens weitere Anspruchsvoraussetzungen zu beachten. Allen voran eine – bereits i.Z.m. CO VID -19 -Förderungen bekannte – Beschränkung von Bonuszahlungen an das Management. Aufgrund einer Vielzahl an Zweifelfragen lohnt sich ein genauer Blick auf das Anspruchskriterium der Energieintensität sowie die Bonusbeschränkungen. Zumal der Energiekostenzuschuss II ante portas steht.
1. Einleitung
Der aus dem befristeten europäischen Beihilferahmen 1 („Temporary Framework“) entspringende und auf dem UEZG2 basierende Energiekostenzuschuss hat sich zum Ziel gesetzt, energieintensive Unternehmen im Lichte der im Jahr 2022 stark angestiegenen Energiepreise zu entlasten, indem rasche und unbürokratische Hilfe geleistet werden soll. Die Verwendung von Begrifflichkeiten, welche ursprünglich aus dem Unionsrecht entnommen wurden, sowie eine oft vage Formulierung durchwegs relevanter Passagen resultierte jedoch in einigen Unklarheiten bzw. Zweifels fragen. Gleichzeitig wurden aufgrund des „First come first served“ -Prinzips vie le Anträgen ehestmöglich und somit gleich zu Beginn des zugeteilten Antragszeitraumes gestellt, d.h. zu jenem Zeitpunkt, als klarstellende FAQs noch gar nicht vorlagen. Im Lichte der Tatsache, dass bei Förderungswerbern gemäß FörderungsRL 3 ex post eine Prüfung der gewährten Förderungen durch die Abgabenbehörden erfolgen kann, kommt dem Interpretationsspielraum von unklaren Regelungen naturgemäß eine hohe Bedeutung zu. Nachstehend sollen daher jene Normierungen der FörderungsRL, welche in der Beratungspraxis bisher mit den meisten Zweifelsfragen verbunden waren, einer genauen Analyse sowie kritischen Würdigung unterzogen werden. Diese sind insofern von wesentlicher Bedeutung, als sie entweder an die persönliche Antragsfähigkeit oder eine Rückzahlungsverpflichtung im Falle der Verletzung der Bestimmung ge knüpft sind.
2. Analyse und kritische Würdigung relevanter Zweifelsfragen
2.1. Produktionswert
Der Produktionswert als zentrale Berechnungsgröße zur Erfüllung des Energieintensitäts -Kriteriums war lan ge mit den größten Fragezeichen be haftet. Energieintensiv sind demnach all jene Unternehmen, deren Energie kosten auf Basis des letztverfügbaren Jahresabschlusses 5 mindestens 3% des Produktionswerts betragen. 6 Während die Energiekosten für Belange der Berechnung der Energieintensität in der Anlage 1 zur FörderungsRL genau dargelegt wurden und vergleichsweise weit gefasst sind, wurden zu Beginn des An tragstellungszeitraumes keine genauen Angaben zur Berechnung des Produktionswerts seitens der Richtliniengeber veröffentlicht. Beim Produktionswert handelt es sich grundsätzlich um eine dem Unionsrecht7 entspringende Berechnungsgröße, welche vom Richtliniengeber wortwörtlich übernommen wurde. Darunter zu verstehen ist „der Umsatz – einschließlich der unmittelbar an den Preis des Erzeugnisses geknüpften Subventionen – plus/minus Vorratsveränderungen bei fertigen und unfertigen Erzeugnissen und zum Wiederverkauf erworbenen Waren und Dienstleistungen minus Käufe von Waren und Dienstleistungen zum Wiederverkauf“. Während die ersten drei Komponenten wenig Interpretationsspielraum zulassen, war es lange fraglich, wie die Wortfolge „minus Käufe von Waren und Dienstleistungen zum Wiederverkauf“ auszulegen ist. Wie den FAQ in der Fassung ab 16.12.2022 nunmehr zu entnehmen ist, erfasst die FörderungsRL hierunter ausschließlich den Kauf von (Handels-) Waren sowie den Einkauf von Dienstleistungen, welche im Wesentlichen unverändert an den Kunden weiterverkauft werden, ohne dass daraus eine Ware bzw. Dienstleistung eigener Verkehrsgängigkeit entsteht.8 Diese restriktive Auslegung resultiert daraus, dass bei der Produktion bzw. Herstellung durch Be- und Verarbeitung im Leistungsprozess des Unternehmens ein Vermögensgegenstand ebensolch neuer Verkehrsgängigkeit geschaffen wird. Konkret ist ausschließlich der (Handels-)Wareneinsatz der Konten 500 bis 509 des österreichischen Einheitskontenrahmens nach Maßgabe des KFS/BW 69 bei der Berechnung des Produktionswertes in Abzug zu bringen.10 Was das für die Praxis bedeutet, soll an plakativen Beispielen veranschaulicht werden: Wendet man die Berechnungslogik auf ein Beispiel aus der Gastronomie (Herstellung und Verkauf eines Schnitzels) an, ergibt sich kein Erwerb einer Ware zur Wiederveräußerung. Vielmehr wird durch die Verarbeitung im Leistungsprozess des Gasthauses (Panieren, Braten etc.) ein neuer Vermögensgegenstand geschaffen, da das rohe Fleisch eine andere Verkehrsgängigkeit als das fertige Schnitzel aufweist. Dasselbe gilt für einen Winzer, der aus Traubensaft hochwertigen Wein keltert, welcher erst nach der Reifung für den Verkauf bestimmt ist.11 Legt man diese Ausführungen in weiterer Folge auf die Bilanz- und GuV-Positionen des Dritten Buches des UGB um, resultiert dies in der nachstehend angeführten Berechnungsformel (siehe Tabelle). Im Ergebnis bedeutet dies jedoch, dass es stark branchenabhängig ist, ob das Kriterium der Energieintensität – gemessen am Produktionswert – erfüllt wird. Während dieser restriktiven Auslegung folgend Unternehmen im Einzel- und Großhandel den gesamten bzw. überwiegenden Teil des Materialaufwandes bei der Berechnung des Produktionswertes subtrahierend berücksichtigen können, werden demgegenüber produzierende Unternehmen i.d.R. den Materialaufwand nicht abziehen können, sondern ausschließlich den Handelswareneinsatz (welcher bei produzierenden Unternehmen im Lichte des Geschäftsmodells oftmals in der Praxis sehr gering ausfallen wird). Dies wird ebenfalls durch FAQ 4.18 manifestiert, wonach in der Industrie der Materialaufwand als Wareneinsatz gilt, welcher für Zwecke des Energiekostenzuschusses den Produktionswert nicht reduziert, da – wie bereits oben ausgeführt – bei der Produktion bzw. Herstellung durch Be- und Verarbeitung im Leistungsprozess des Unternehmens ein Vermögensgegenstand neuer Verkehrsgängigkeit geschaffen wird.12 Fraglich ist in diesem Zusammenhang zudem, ob eine daraus resultierende Bevorteilung bestimmter Branchen dem Telos dieser Maßnahme entspricht bzw. derart intendiert ist. Die Mitteilung der Kommission betreffend staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 202213 hält in Rz 400 zu Beihilfen in Form einer Ermäßigung der Stromabgaben für energieintensive Unternehmen Nachstehendes fest: „Wenn Unternehmen bestimmter
Wirtschaftszweige, die besonders stark dem internationalen Handel ausgesetzt und für ihre Wertschöpfung in hohem Maße auf Strom angewiesen sind, Stromverbrauchsabgaben […] in voller Höhe zahlen müssten, könnte das Risiko steigen, dass Tätigkeiten in diesen Wirtschaftszweigen an Standorte außerhalb der Union verlagert werden […]“. Die Rz 405 führt des Weiteren aus, dass „das Risiko, dass Tätigkeiten in bestimmten Wirtschaftszweigen an Standorte außerhalb der Europäischen Union verlagert werden […], weitgehend von der Stromintensität des betreffenden Wirtschaftszweigs und dessen Öffnung für den internationalen Handel“ abhängt und daher Unternehmen mit einer hohen Handels- oder Stromintensität besonders förderungswürdig seien, ohne jedoch eine Legaldefinition dieser beiden Begriffsbestimmungen anzuführen. Den Ausführungen des Deutschen Bundesamtes für Umwelt zufolge ist unter Ersterem das Verhältnis des Wertes des Handels im Unionsgebiet zum Gesamtvolumen des heimischen Markts zu verstehen. Dabei wird die wertmäßige Summe aller Importe und Exporte von mit dem europäischen Ausland gehandelten Produkten ins Verhältnis zum Wert der heimischen Produktion zuzüglich der Importe gesetzt.14 Ebenfalls gemäß Deutschem Bundesamt für Umwelt ist die Stromintensität definiert als „eingesetzte Einheit Strom pro Einheit erbrachter Wirtschaftsleistung“.15 Der Mitteilung der Kommission Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 bis 2014,16 Anlage 4 folgend ist die Stromintensität definiert als die „[…] Stromkosten des Unternehmens geteilt durch die […] BWS [Bruttowertschöpfung]“ des Unternehmens. Die Bruttowertschöpfung versteht sich zu Marktpreisen abzüglich indirekter Steuern zuzüglich Subventionen.
Im Ergebnis kann aus diesen Definitionen und Ausführungen konkludiert werden, dass bei der Beurteilung förderungsfähiger Unternehmensbranchen auf im Unionsgebiet aktive Handelsunternehmen sowie Unternehmen abzustellen ist, deren Wertschöpfung mit hohem Stromverbrauch einhergeht. Demzufolge ist auch der Produktionswert als Bruttowertschöpfungsgröße zu verstehen. Da diese bei produzierenden Unternehmen jedenfalls höher ist als bei Handelsunternehmen, ist der restriktive Ansatz hinsichtlich des abzugsfähigen Teils des Materialaufwandes als konsistent i.S. des Beihilfenrechts anzusehen. Der Vollständigkeit halber ist jedoch kritisch festzuhalten, dass dadurch oftmals gerade jene Unternehmen, welche besonders viel Energieverbrauch im Rahmen ihrer operativen Betriebs- und Produktionstätigkeit aufweisen, nicht als energieintensiv gelten, da die 3-Prozent-Schwelle aufgrund des hohen Produktionswerts in vielen Fällen nicht erreicht werden kann.
2.2. Beschränkung von Bonuszahlungen
Die in der FörderungsRL enthaltenen Regelungen i.Z.m. Boni17 sind ebenfalls unklar formuliert. Einerseits hat sich das förderungswerbende Unternehmen zu verpflichten, ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung der Richtlinie keine Bonuszahlungen an Vorstände oder Geschäftsführer für das laufende Geschäftsjahr 2022 in Höhe von mehr als 50% ihrer Bonuszahlungen für das Wirtschaftsjahr 2021 auszuzahlen. Andererseits besteht jedoch eine Ausnahme für Bonuszahlungen betreffend das laufende Geschäftsjahr 2022, die bereits vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung der Richtlinie und somit vor dem 21.11.2022 ausgezahlt oder gewährt wurden. Unklar ist allerdings, was unter „gewährt“ zu verstehen ist. Gemäß FAQ18 ist dabei entscheidend, ob durch die bereits getroffene Bonusvereinbarung ein Rechtsanspruch oder zumindest eine Anwartschaft begründet wird und das förderungswerbende Unternehmen nach Veröffentlichung der Richtlinie noch Einfluss auf die Höhe der Boni oder gar deren Gewährung nehmen kann. Wenn die Modalitäten bzw. Parameter, wie sich der Bonus berechnet, schon vor Veröffentlichung der Richtlinie feststanden, aber die Höhe noch unklar ist, weil z.B. das EBIT 2022 noch nicht bekannt ist, und das förderungswerbende Unternehmen die Höhe auch nicht mehr beeinflussen kann (weil es für die Höhe des Bonus kein Ermessen des förderungswerbenden Unternehmens gibt, was z.B. bei rein Kennzahlen-orientierten Boni so sein wird), ist aus den FAQ ableitbar, dass der Bonus als „gewährt“ i.S.d. FörderungsRL zum Energiekostenzuschuss anzusehen ist, selbst wenn die Höhe noch nicht feststeht. Ein solches Verständnis ist auch insofern stimmig, als man sonst förderungswerbende Unternehmen von der Förderung ausschließt, obwohl diese gar keine Möglichkeit mehr haben, die Höhe der Boni zu reduzieren. Beachtlich ist demgegenüber jedoch, dass diejenigen Bonusvereinbarungen, bei denen eine Bedingung nach Veröffentlichung der Richtlinie erfüllt sein muss, um eine Bonifikation zu gewähren bzw. auszubezahlen (z.B. durch Fassung eines Aufsichtsratsbeschlusses), von der Formulierung nicht erfasst sind.
3. Fazit und Ausblick
Mit dem Energiekostenzuschuss hat die Bundesregierung ein wirksames Instrument eingeführt, um Mehrbelastungen der Unternehmen aufgrund von gestiegenen Energiepreisen teilweise auszugleichen. In der Praxis hat sich jedoch oftmals gezeigt, dass gewisse Branchen aufgrund der Systematik der Produktionswertmethode das Eingangskriterium Energieintensität gar nicht erst erfüllen konnten. Zudem bestehen aufgrund unklarer Normierungen und Erläuterung von Anspruchsvoraussetzungen – wie etwa der Bonusbeschränkung – für viele fördernehmende Unternehmen Risiken, welche in Zukunft in nachgelagerten Prüfungen zu Rückzahlungsverpflichtungen führen könnten. Wie die Bundesregierung am 22. Dezember 2022 verkündete,19 soll der Förderzeitraum des bereits umgesetzten Energiekostenzuschusses aufgrund der anhaltend hohen Energiepreise bis Ende Dezember 2022 verlängert werden. Des Weiteren wurde ein Energiekostenzuschuss II in Aussicht gestellt, welcher einen Betrachtungszeitraum von 1. Jänner 2023 bis 31. Dezember 2023 umfassen soll. Pro Unternehmen können für das Jahr 2023 Zuschüsse von EUR 3.000,– bis EUR 150 Millionen ausbezahlt werden. Insgesamt soll es nun sogar fünf Förderstufen geben, wobei bei den ersten beiden Stufen (d.h. bis zu einer Fördersumme i.H.v. EUR 4 Millionen) die im Lichte der aufgezeigten Erläuterung zur Berechnung des Produktionswertes durchwegs kontrovers zu sehende Voraussetzung des Nachweises der Energieintensität entfällt – um wohl genau diesen Problemstellungen Rechnung zu tragen. Die Antragsstellung wird wie beim Energiekostenzuschuss im Fördermanager der aws möglich sein. Die Verpflichtungen des antragstellenden Unternehmens sollen im Gegenzug restriktiver werden: So wurde verlautbart, dass die Abgabe einer Beschäftigungsgarantie analog zur deutschen Regelung (bis Ende 2024) wie auch Einschränkungen bei Bonuszahlungen und Dividenden geplant seien. Wie die Regelungen im Ergebnis im Detail ausfallen werden, wird sich zeigen – sowohl die Praxis als auch die akademische Aufarbeitung werden sich damit aber jedenfalls noch länger auseinandersetzen.
Erscheinungsdatum: