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Ausgabe 04/2017

imFokus: Die Paradise Papers und ihre Folgen

LEAK. Ein Jahr nach den Panama Papers hat das internationale Netzwerk investigativer Journalisten ICIJ eine Großrecherche zum Thema Steuerparadiese vorgelegt. Was sind die Schlussfolgerungen daraus? Von Verena Trenkwalder

Das neue Datenleck enthüllt keine illegalen Aktivitäten. Es zeigt aber in beeindruckender Weise, wie gängig es inzwischen ist, solche Schlupflöcher zur Steuervermeidung zu nutzen. Die Daten stammen vor allem von der Kanzlei Appelby, dem Marktführer im Offshore-Geschäft. Die auf den Bermudas ansässige Anwaltskanzlei wirbt damit, das Geschäft mit Briefkastenfirmen professionell zu betreiben. Zu ihren Kunden gehören Premierminister, Hollywoodstars und einige der reichsten Oligarchen der Welt. Die Paradise Papers, die bislang umfangreichste Datenquelle über internationale Offshore-Finanzgeschäfte, enthalten die Namen großer Firmen und berühmter Personen. Die Paradise Papers zeigen die Steuersparmodelle multinationaler Konzerne auf – die aber nicht strafbar sind. Viele Steuertricks über Offshore-Firmen sind legal oder bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone. (Die Zeit, 6.11.2017) Sehr schnell setzt dann die Diskussion ein, ob das rechtens ist, und falls ja, ob es auch moralisch legitim ist. Und sehr schnell werden die Superreichen und die Konzerne an den Pranger gestellt. Schlagworte wie „die Steuertricks der Superreichen“ und „die Steuertricks von Apple, Nike und Co“ sind überall zu finden. Doch worum geht es wirklich?

Wegzugsbesteuerung in jedem Staat?

Konzerne leben in einem internationalen Umfeld und müssen im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein. Dabei geht es schlichtweg auch darum, Kosten gering zu halten, und Steuern sind eben Kosten. Es ist also nicht verwerflich, wenn ein Konzern legale Steuersparmöglichkeiten ausnützt, genauso wenig wie es verwerflich ist, wenn er Energiekosten oder Materialkosten reduziert und in Ländern mit niedrigerem Lohnniveau produzieren lässt oder ihm zustehende Subventionen in Anspruch nimmt. Vielmehr wäre es den Organen vorwerfbar, täten sie das nicht. Vorwerfbar ist vielmehr, dass die Staatengemeinschaft, ja selbst die EU es nicht schafft, eine gewisse Vereinheitlichung einzuführen und diese Schlupflöcher zu schließen. Dass die Niederlande es zulassen, dass immaterielle Wirtschaftsgüter in Steueroasen verbracht und dann dorthin Lizenzen gezahlt werden, ist jedem Fachmann seit Jahrzehnten bekannt. Genauso wie bekannt ist, dass auch andere EU-Staaten Unternehmen durch günstige Steuerregime attrahieren. Und was tun die Staaten nun: Sie sind entrüstet, sprechen von unmoralischem Verhalten, erlassen eine Geldwäscherichtlinie nach der anderen und einen BSPS Action Plan nach dem anderen, die alle völlig überbordend sind, die Unternehmen, die ohnehin unter der Verwaltungslast stöhnen, mit weiteren Meldepflichten und Sanktionen bei Nichteinhaltung belegen. Gerade in Österreich lebt die Wirtschaft von mittelständischen Familienbetrieben, die sich über die Administration der Gesetze nicht mehr hinaussehen. Und dabei müsste man sich nur darauf einigen, dass das Steuerrecht – so wie das Unternehmensrecht – vereinheitlicht wird. Was würde dagegen sprechen, ganz einfach den unternehmensrechtlichen Gewinn mit einem bestimmten einheitlichen oder zumindest Mindeststeuersatz zu versteuern? Was würde dagegen sprechen, die legitime Wegzugsbesteuerung in jedem Staat umzusetzen? Ich empfinde es als Versagen der Politik, der EU und der OECD, dass sie sich zwar den Kampf gegen die Steuerflucht auf die Fahnen heften, aber nicht wirklich etwas dagegen tun. Solange es die Staaten nicht schaffen, gewisse moralische Mindeststandards in ihrer Steuergesetzgebung zu definieren, werden alle weiteren Meldepflichten das bleiben, was sie sind: Alibimaßnahmen, die vor allem diejenigen belasten, die noch nie etwas Unrechtes getan haben. Und die das Vertrauen der Bürger in den Staat weiter untergraben.

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