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Ausgabe 03/2022

Die neue Verfahrensförderungspflicht

AbgÄG 2022. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2022 wurde eine Verfahrensförderungspflicht eingeführt, die für alle Beschwerdevorlagen bzw. -eingänge nach dem 31. August 2022 anzuwenden ist. Die daraus resultierenden Konsequenzen sollen hier kurz dargestellt werden. Von Herbert Houf

Der Paragraph 270 BAO trägt die Überschrift „Kein Neuerungsverbot“ und hat i.V.m. § 115 Abs. 4 BAO bislang bewirkt, dass von der Abgabenbehörde oder dem Verwaltungsgericht auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge Bedacht zu nehmen war, solange über die Beschwerde nicht entschieden war, also die Beschwerdeentscheidung noch nicht (schriftlich oder allenfalls am Ende einer mündlichen Verhandlung mündlich) bekanntgegeben war. Auch dann, wenn damit das bisherige Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wurde. Mit dem AbgÄG 2022 wurde nun in § 270 BAO ein neuer Abs. 2 aufgenommen, wonach „jede Partei ihre Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten hat, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann (Verfahrensförderungspflicht)“. Gleichzeitig wurde die bisherige Bestimmung (nunmehr Abs. 1) dahingehend geändert, dass künftig zwei Einschränkungen zum Ausschluss des Neuerungsverbots bestehen:

  • Neuerungen sind generell nur noch „nach Maßgabe des Abs. 2“, also der Verfahrensförderungspflicht, zu berücksichtigen und
  • Neuerungen sind generell nicht mehr zu berücksichtigen, wenn sie im Fall einer mündlichen Verhandlung erst nach deren Schließung vorgebracht werden.

In diesem Zusammenhang wurde auch § 183 Abs. 3 BAO dahingehend ergänzt, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht von der Aufnahme beantragter Beweise künftig auch dann abzusehen ist, wenn das Beweisanbot der Parteien der Verfahrensförderungspflicht (§ 270 Abs. 2) widerspricht. Dies gilt allerdings dann wiederum nicht, wenn der Beweisantrag (bereits) im Vorlageantrag gestellt wird.

Begriff Verfahrensförderungspflicht
Die zentrale Frage wird somit in Zukunft sein, ob Vorbringen, insbesondere (aber nicht ausschließlich) Beweisanträge, so rechtzeitig und vollständig erstattet werden, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht möglichst rasch durchgeführt werden kann. Dazu führen die EB zur Regierungsvorlage aus, dass ein Verstoß gegen die Verfahrensförderungspflicht i.S.d. § 270 Abs. 2 BAO (bereits) dann vorliegt, wenn aus objektiver Sicht keine sachlichen Gründe dafür vorliegen, dass im Verfahren eingebrachte Beweisanträge nicht schon in einem früheren Verfahrensstadium, etwa bereits im abgabenbehördlichen Verfahren oder spätestens nach Bekanntgabe des Vorlageberichts (§ 265 Abs. 3 BAO) eingebracht hätten werden können. Anders als bei der „Verschleppung“ eines Verfahrens kommt es also nicht auf die Absicht der Partei an, das Verfahren zu verzögern. Alleine die Tatsache, dass Anbringen früher erstattet hätten werden können, kann schon die Verfahrensförderungspflicht verletzen.

Ausnahmen und Sonderfälle
Insoweit also die Verfahrensförderungspflicht verletzt wird, besteht in Zukunft grundsätzlich ein Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren. Dies gilt aber ausdrücklich dann nicht, wenn ein Anbringen (Beweisantrag) in einem Vorlageantrag gestellt wird. Den EB wäre zu entnehmen, dass auch Anbringen, die (zeitnah) nach Bekanntgabe des Vorlageberichts (der ja erst nach dem Vorlageantrag im Zuge der Aktenvorlage an das Verwaltungsgericht ergeht) erstattet werden, jedenfalls als rechtzeitig anzusehen sein werden. Das ist auch sachlich geboten, zumal ja auch die Abgabenbehörde in ihrem Vorlagebericht noch neue Aussagen treffen kann, auf die seitens der Partei allenfalls zu replizieren ist. Anbringen, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erstattet werden, gelten in Zukunft keinesfalls mehr als rechtzeitig und fallen generell unter das Neuerungsverbot.

Konsequenzen und Empfehlungen
Jedenfalls sollte man also in Zukunft im Beschwerdeverfahren alle verfügbaren Informationen und beabsichtigten Beweisanträge spätestens in einer Replik auf den Vorlagebericht vorlegen. Ergibt sich danach die Notwendigkeit weiterer Vorbringen, sollte in der Eingabe darauf Bezug genommen werden, warum diese aus objektiven, sachlichen Gründen nicht früher erstattet werden konnten. Ergibt sich im Zuge einer mündlichen Verhandlung das Erfordernis weiterer Ermittlungen oder Vorbringen, sollte – mit entsprechender sachlicher Begründung – eine Vertagung beantragt werden.

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