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Ausgabe 02/2022

Anwalt der Republik

PORTRÄT. Wolfgang Peschorn ist seit fast 20 Jahren Präsident der Finanzprokuratur und vertritt die Interessen der Steuerzahlenden, so sein Selbstverständnis. Für sieben Monate gab er ein Intermezzo als Innenminister in der Regierung Bierlein. Von Karin Pollack

Politik und Verwaltung sind zwei Entitäten des Staates, die bestenfalls gemeinsam laufen. Die einen kommen und gehen entsprechend dem Wählerwillen, die Beamtenschaft jedoch ist jener Apparat, der die Geschäfte des Landes weiterführt. Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, kennt beide Seiten. Als er sein Amt 2006 antrat, verkündete er selbstbewusst, der „Anwalt der Republik“ sein zu wollen. Folgerichtig war er auch Dauergast in vielen verschiedenen Untersuchungsausschüssen. Er hatte Einblick in die Affäre der Hypo-Alpe-Adria, im Eurofighter-Untersuchungsausschuss bekam er sogar Lob vom Leiter Peter Pilz. Jahre später sollte er im BVT- und Ibiza-Skandal aussagen. Seinen jüngsten Auftritt hatte er im April im ÖVP-Untersuchungsausschuss, wo er durch einen flammenden Appell gegen Korruption aufhorchen ließ. Er kritisierte „Seilschaften“ und nannte Beraternetzwerker, deren Hauptzweck das Durchsetzen wirtschaftlicher Interessen sei. Die parteipolitische Zugehörigkeit spiele dabei nicht unbedingt die Hauptrolle, präzisierte er, sondern „es sind meist Menschen unterschiedlicher Couleur, die einander finden und Ziele verfolgen, die den Interessen der Republik entgegenlaufen“, sagte er. Sie seien „das schleichende Gift für den Rechtsstaat“.
Um welche konkreten Netzwerke es sich handle, präzisierte Peschorn zwar nicht, doch klar ist: Sein Plädoyer lässt auf Einblicke schließen, die er in den letzten 20 Jahren gewonnen hat. „Als Anwalt und Berater der Republik ist es wichtig, vor allem auch bei Gegenwind Kurs zu halten, wenn es darum geht, die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gegen mächtige Verbände durchzusetzen.“

Selbst nie einer Partei angehört
Selbst hat Wolfgang Peschorn nie einer Partei angehört. Geboren 1965, wuchs er in Judendorf-Straßengel und in Wien auf. Seine beiden Großväter arbeiteten bei der Eisenbahn, sein Vater war Ministerialbeamter und insgesamt wuchs er in einem eher sozialdemokratischen Umfeld auf. Stolz ist er darauf, dass er und seine drei Geschwister zum kritischen Denken erzogen wurden; und ja: „Politik war ein Thema bei uns zu Hause“.
Nach der Matura 1983 im Gymnasium Kandlgasse begann Peschorn ein Studium der Rechtswissenschaften und trat 1991 in den Anwaltsdienst der Finanzprokuratur ein, die als beratendes Gremium die Republik Österreich in allen Verfahren vor ordentlichen Gerichten und Verwaltungsbehörden vertreten kann, aber nicht muss. Über die Aufgabe dieser Behörden weiß er alles. Auch dass ihre geschichtlichen Wurzeln im Sizilien des 13. Jahrhunderts und bei Friedrich II. von Hohenstaufen liegen, schließlich hat Peschorn eine Dissertation über diese Einrichtung, die bis heute das privatwirtschaftliche Verhalten des Staates koordiniert, geschrieben.
Als Karl-Heinz Grasser ihn 2006 zum Präsidenten der Finanzprokuratur bestellte, hat Peschorn sich vor allem eine Strukturreform vorgenommen, der „Steigerung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit komme eine besondere Aufgabe zu“. Ein unerwarteter Karrieresprung kam für Wolfgang Peschorn im Juni 2019, als Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein ihn als Innenminister in die Übergangsregierung berief. „Ich mag große Herausforderung, an Herausforderungen kann man gemessen werden“, sagte er damals in einem Interview mit der Kronenzeitung und war in den folgenden sieben Monaten mit den Skandalen um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) befasst. „Wenn man akribisch hinter einer Sache her ist, kann man einiges an Aufklärung erreichen. Die Frage ist, ob es dann auch gerne gehört wird“, fasst er ein Dilemma in Worte. Um Entwicklungen, die über Jahrzehnte gewachsen sind, zu verändern, hätte er länger als sieben Monate gebraucht. Im Jänner 2020 kehrte er in die Finanzprokuratur zurück.

Zu wenig Zeit
Wolfgang Peschorn gilt allgemein als Vielarbeiter, mehr als sechs Stunden Schlaf braucht er nicht. Im Krone-Interview erzählte er die schöne Anekdote, wie er eine Verhandlung, die bis in den Morgen gedauert hat, schnell unterbrach, um in der Früh seine drei Töchter in die Schule zu bringen, und danach wieder schnell an den Verhandlungstisch zurückkehren zu können. Heute sind seine Töchter erwachsen, Peschorn geschieden. Auch seine Liebe zum Musizieren kommt dem ausgebildeten Klarinettisten und einstigen Leiter der Wiener Akademischen Philharmonie immer wieder zu kurz. Im Allgemeinen hat er zu viel Arbeit und zu wenig Zeit zum Üben. Er versuche, sein Können „am Leben zu erhalten.“ Auf die Frage, wie Politik für ihn klingt, gibt er eine schöne Antwort. „Jeden Tag anders. Wenn etwas gut von der Hand geht, flockig und locker wie Mozart. Und dann wieder, wenn Sachen schwierig sind und vielleicht nicht gut ausgehen, wie ein Tschaikowski.“

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