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Ausgabe 01/2022

Grobe Fahrlässigkeit versus Eventualvorsatz

FINANZSTRAFGESETZ. Die in freier Beweiswürdigung zu entscheidende Schuldfrage, ob grobe Fahrlässigkeit oder bereits ein Eventualvorsatz vorliegt, kann sehr eng werden, die rechtlichen Konsequenzen sind aber bedeutend. Von Klaus Hübner

Sowohl bei bewusster Fahrlässigkeit als auch beim bedingten Vorsatz („Eventualvorsatz“) handelt der Täter in dem Bewusstsein, dass möglicherweise ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklicht wird. Das Unterscheidungsmerkmal liegt in der Wollenskomponente, an der es bei der Fahrlässigkeit mangelt. Bei fahrlässiger Begehung erkennt ein Täter zwar den Sorgfaltsverstoß und die Möglichkeit der Rechtsgutbeeinträchtigung, glaubt aber daran und vertraut darauf, dass diese nicht eintreten werde. Abweichend vom Eventualvorsatz, der anzunehmen ist, wenn der Täter die Rechtsgutverletzung „in Kauf nimmt und sich damit billigend abfindet“, findet sich der Fahrlässigkeitstäter damit nicht ab, die Wollenskomponente fehlt also bei ihm.
Weiß also beispielsweise ein Täter bei Einreichung seiner Steuererklärung, dass das Risiko besteht, dass sein Buchhalter Rechnungen falsch verbucht haben könnte, geht er aber davon aus, dass alles richtig ist, so handelt er bewusst fahrlässig, wenn sich später herausstellt, dass die Steuererklärung unrichtig war. Weiß der Täter hingegen, dass seinem Buchhaltungsmitarbeiter schon öfter Fehler passiert sind, und hält er es für möglich, dass auch diesmal etwas falsch sein könnte, dann hat er sich damit abgefunden und durch die Abgabe der falschen Steuererklärung mit Eventualvorsatz eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Die Konsequenzen dieser unterschiedlichen Begehungsvarianten sind freilich bedeutend, weshalb wir als Verteidiger hier oft vor großen Herausforderungen stehen:

  • Die Strafdrohung zwischen vorsätzlichem Begehen bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 versus der (grob) fahrlässigen Begehung bei der Verkürzung nach § 34 verhält sich wie 2:1, eine Vorsatztat wird somit in unserer Praxis doppelt so hoch bestraft.
  • Ein strafbarer Versuch gemäß § 14 (in unserer Praxis meist die Einreichung einer falschen Steuererklärung, ohne dass der Erfolg der Tat bereits eingetreten ist, was erst mit Zustellung des Steuerbescheides der Fall ist) kann nur bei vorsätzlicher (nicht auch fahrlässiger) Begehung vorliegen.
  • Die Schuldform entscheidet auch über die gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Zuständigkeit des Finanzvergehens: Das Gericht ist nur für vorsätzlich begangene Finanzvergehen mit einem über EUR 100.000,– liegenden strafbestimmenden Wertbetrag zuständig.
  • Für das Vorliegen des Sperrgrundes bei der Selbstanzeige nach § 29 Abs. 3 lit. c, wonach bei einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen die Selbstanzeige bei einer Betriebsprüfung spätestens vor dem Beginn erstattet werden muss, sind (grob) fahrlässige Handlungen auch noch während der Prüfung möglich, sofern noch nicht Tatentdeckung gegeben ist.
  • Weiters spricht die Unterscheidung auch bei der Verjährung eine entscheidende Rolle: Nur bei vorsätzlich begangenen Finanzvergehen wird gemäß § 31 Abs. 3 FinStrG der Ablauf der Verjährung für ältere Finanzvergehen gehemmt.
  • Letztlich kann auch noch § 11 BAO einen großen Unterschied machen, dem zufolge wegen vorsätzlichen Finanzvergehen bestrafte Täter für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden, haften.

Die kürzlich publizierte Finanzstrafstatistik weist allerdings (ohne Finanzordnungswidrigkeiten und Verfahrenseinstellungen) das Verhältnis von Bestrafungsfällen bei Hinterziehungsdelikten zu Fahrlässigkeitsdelikten für 2020 mit 79%:21% und für 2021 mit sogar 90%:10% aus. Die Einstellungsrate bei verwaltungsbehördlich eingeleiteten Verfahren lag in diesen Jahren übrigens bei (nur) 15% bzw. 10%. Diese Statistik beinhaltet jedoch nicht die Anzahl von finanzstrafrechtlich gewürdigten Fällen, welche erst gar nicht zu einer Einleitung führten.

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