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Ausgabe 01/2022

Anwärterin in Pandemie-Zeiten

ZUKUNFT. Covid-19 und das Prüfungsverfahren – eine Gratwanderung zwischen Erfolg und Misserfolg?! Von Tanja Trummer

Als ich mich 2017 für Steuerberatung entschied, war weder die Pandemie noch das strapaziöse Prüfungsverfahren vorherzusehen. Ende 2019 hatte ich die erforderlichen 18 Monate in der Berufspraxis überstanden und stand vor meiner ersten Fachprüfung. Als Juristin hatte ich mich – wenig überraschend – für das Prüfungsgebiet „Rechtslehre“ entschieden und die Prüfung erfolgreich abgelegt.

2020 veränderte alles!
Mitten in der Vorbereitung auf die nächsten Klausuren erwischte mich, wie viele andere Berufsanwärter und Berufsanwäterinnen auch, die Pandemie in voller Härte. Durch meine Spezialisierung auf das Arbeitsrecht und die Personalverrechnung, hieß es ab März 2020: doppelte Arbeitsbelastung durch die Herausforderungen der Corona-Kurzarbeit. Ständiges Einlesen in neue Richtlinien, keine konkreten Vorgaben, nicht enden wollende Telefonate mit Klienten und Klientinnen, massive Rechtsunsicherheit und hohe Erwartungen … Ach ja, da war noch etwas: das Prüfungsverfahren. Die knapp bemessene Freizeit, die noch verblieben war, verbrachte ich am Wochenende in Vorbereitungskursen. Diese waren meist auf Webinarform umgestellt worden, was die Belastung etwas reduziert hatte.
Was einmal angefangen, muss schließlich fertig gemacht werden?! – Daher folgten 2020 „Prüfungsfehltritte“, aus denen ich hier keinen Hehl machen will. 12-Stunden-Tage, ständig neues Einlesen und ein „Nicht-mehr- Abschalten“-Können sowie eine nicht optimale Prüfungsvorbereitung hatten ihren Tribut gefordert. So saß ich zum ersten Mal in meinem Leben bei Prüfungen, für die ich mich nicht gut vorbereitet fühlte.
Zu wenig Prüfungsurlaub, zu wenig entgegengebrachtes Verständnis von allen Seiten und zu wenig Wissen. Das aber nicht nur pandemie- und lernzeitbedingt, sondern weil auch die Prüfungsvorbereitungskurse manchmal schlichtweg eine „Themenverfehlung“ waren und die Prüfungen (ohne entsprechende Vorbildung) damit kaum zu schaffen.
Ab diesem Zeitpunkt begann ich, wie ich es auch früher getan hatte, Zusatzliteratur zu lernen und das Wichtigste: ein Verständnis für die Themengebiete aufzubauen. Das erfordert Zeit und Ausdauer. Vor allem, weil die geprüften Inhalte kaum praxisrelevant sind und man sich aus der Praxis nur wenig mitnehmen kann. Weniger als ein Monat durchgehende Prüfungsvorbereitung ist daher m.E. für keine der Prüfungen zu empfehlen. Die fünf schriftlichen Prüfungen sind so konzipiert, dass Zeit als äußerst knapp bemessenes Gut einen wesentlichen Faktor für den Prüfungserfolg darstellt. Daneben ist sinnerfassendes Lesen im „High-Speed-Tempo“ gefragt. Das hätte ich gern früher gewusst. Auch, dass die Steuerberater-Ausbildung keinesfalls ein „Parttime-Job“ ist oder dass juristisches Arbeiten im Kontext der Steuerberater- Ausbildung nicht bedeutet, formulieren zu können, sondern wesentliche Paragraphen in möglichst kurzer Zeit „hinzuknallen“. Warum tue ich mir das an? Die Gretchenfrage von Berufsanwärtern seit Beginn der Pandemie! Schwer kalkulierbare Arbeitszeiten, wenig Work-Life- Balance, hochkomplexe Themenfelder, schlechte Bezahlung im Vergleich zur Industrie, teilweise wenig Wertschätzung etc. machen den Berufsstand und die Tätigkeit in Pandemie-Zeiten wohl (noch) unattraktiver.

Würde ich es wieder machen?
Nahezu am Ende meines persönlichen Prüfungsverfahrens kann ich sagen, dass ich durch mühevolle Kleinstarbeit das „Bigger Picture“ sehe und dass sich die vergangenen eineinhalb Jahre intensiver Auseinandersetzung mit den Themengebieten entsprechend ausgezahlt haben, weil ich – unabhängig von Prüfungserfolgen – gut beraten kann und versuche, tagtäglich optimale Lösungen im Sinne meiner Klienten zu erarbeiten. In meinem Fall lautet die Antwort daher klar: Ja! Gute Beratung hat mit dem Prüfungserfolg weniger zu tun als man meinen mag. Daher möchte ich hier an alle appellieren, nicht aufzugeben! Es braucht uns in der Pandemie und es braucht uns alle danach, damit wir das Feuer weitergeben und der Berufsstand erhalten bleibt! Halten wir es mit Antoine de Saint-Exupéry: „Das Geheimnis des Erfolges kennen nur jene, die einmal Misserfolg gehabt haben.“

Erscheinungsdatum:

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