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s gibtMenschen, die haben viel,
andere, die haben sehr viel zu
tun. Im Büro von EduardMül-
ler geben sichdieBesucherdieTürklinke
in dieHand.Müller, seit Oktober Chef
der Präsidialsektion, berät sich über die
anstehenden Reformen. „Ich denke seit
Langem inProzessenunddamithorizon-
tal, nicht vertikal“, sagt er und spielt auf
seine Laufbahn inder Finanzverwaltung
an.Ab2001 leiteteer jenesReformteam,
das für die Abschaffung der Finanzlan-
desdirektionen und die Einrichtung
des Unabhängigen Finanzsenats verant-
wortlich war. SeineMannschaft hat die
Weichen dafür gestellt, dass die Zahl
der Finanzämter in Österreich halbiert
wurde und es heute statt 62 nur neun
Zollämter gibt.Erweiß,wasWiderstand
heißen kann und wie wichtig Change-
Management ist. „Für jedenReformpro-
zess sind Modelle, die das gemeinsame
Ziel inderZukunft definieren, entschei-
dend“, sagt er. Finanz 4.0 sei jetzt sein
Thema, inderGoodPublicGovernance
stündendie drei „K“ (Konsultation, Ko-
operation undKonsensus) oben auf der
Liste.Müllerhat seinen JobvonderPike
auf gelernt. Geboren wurde er 1962 als
jüngstes vondreiGeschwistern inOber-
wart im Burgenland. Seine Eltern hat-
ten eine Landwirtschaft, seine Kindheit
war von Freiheit geprägt, sagt er. In der
Volksschule imRumpersdorf gab es acht
Kinder: „Quasi Privatunterricht“, für
BücherhatteervonAnbeginneinFaible.
PrägendwardieFerialpraxis imSommer,
die er über Jahre bei der Firma Black&
Decker absolvierte.NachderHAK-Ma-
tura 1981 entschied er sich für eineKar-
riere in der Finanzverwaltung und be-
gannalsSteuerprüfer imSüdburgenland.
Schonbald sollteMüller entdecken, dass
ihm das Nachdenken über Steuerrecht
eine ebenso große Freude bedeutete wie
das Prüfen von Unternehmen. Mit 24
schrieb er seinen ersten Artikel für die
Steuerzeitung: „DieLohnsteuer imKon-
kursverfahren“. Es wurde der Beginn
einer regen Publikationstätigkeit, die in
einStudiumderWirtschaftswissenschaf-
ten an der Fernuniversität Hagenmün-
dete. 1994 schloss er es ab. Zeitgleich
publizierte er sein erstes Buch „Steuer-
handbuch fürVertreter“ imOrac-Verlag.
Schreibenwarund ist seineLeidenschaft.
Als Akademiker kam er 1994 an die
FinanzlandesdirektionWien, drei Jahre
später ins Finanzministerium. Als 2000
unter der schwarz-blauen Regierung
eine Reformarbeitsgruppe eingerichtet
wurde, kam Müllers große Chance.
Sein damaliger Sektionschef Wolfgang
Nolz wollte, dass „ich dort dabei bin,
weil ichmich im Steuerrecht auskann-
te“. 2001 übernahm er die Leitung des
Reformteamsund startetedieUmstruk-
turierungsmaßnahmen. „Als Beamter
kann man nichts Spannenderes als die
Zeit zwischen 2001 und 2005 erleben,
das ist uns allen aber erst imNachhi-
nein bewusst geworden“, sagt Müller
heute. 2005 begleitete er den Prozess
weiter in der Konsolidierungsphase, re-
formierte die Steuerfahndung sowie die
Großbetriebsprüfung und kümmerte
sich um eine Kontrolle der illegalen
Arbeitnehmerbeschäftigung in Öster-
reich.Mit der Kammer derWirtschaft-
streuhänder hat er seit Langem eine
enge Verbindung, seit Anfang 2015 ist
er bundesweiter Vorsitzender der Prü-
fungskommission für Steuerberater.
2006 wurde Müller stellvertretender
Sektionschef der Steuerorganisations-
sektionund für ihnhätte alles soweiter-
laufen können. Wären da mit denMi-
nisterwechseln nicht ein paar Rochaden
gewesen. „Ichwar 50, hattemeinLeben
lang in der Finanzverwaltung gearbeitet
und plötzlich ein attraktives Jobangebot
anderHand“, erinnert er sichandasAn-
gebot, Geschäftsführer im Linde-Verlag,
für den er seit Jahren alsAutor tätigwar,
zuwerden. Eine neueHerausforderung,
mehr Gage und mehr Lebensqualität?
Dakonnte ernichtwiderstehen.
2012 verließ er das Finanzministe-
rium. Trotzdem: Die Arbeit imMinis­
terium sollte er vermissen. „Das BMF
ist ein riesiger Konzern“, sagt Müller
und plötzlich war dort seine Expertise
wieder gefragt. SeitOktober 2015 ist er
zurück.Während inderPräsidialsektion
drei „K“ auf der Agenda stehen, domi-
nieren privat drei „L“: Laufen, Lesen,
Leben.Müller ist mit einer Finanzrich-
terin verheiratet, hat zwei Töchter und
wohnt in Perchtoldsdorf. Seine liebste
Lektüre ist „Hiob“ von JosephRoth.
n
DerReformer
PORTRÄT.
EduardMüller kennt dieFinanzverwaltung
wie seineWestentasche.Nach einem kurzenAusflug in
diePrivatwirtschaft leitet er jetzt diemächtigeSektion I
imFinanzministerium. VonKarinPollack
„Für jeden
Reform­
prozesssind
mentale
Modelle, die
dasgemein-
sameZiel in
der Zukunft
definieren,
entschei-
dend.“
© citronenrot
personality
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EduardMüller:
Im Jobdominie-
rendiedrei K:
Konsultation,
Kooperation
undKonsensus.
Privat diedrei L:
Lesen, Laufen,
Leben.
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