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Ausgabe 04/2022

Sinnorientierte Führung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

FÜHRUNGSSTÄRKE. Menschen und Unternehmen brauchen Sinn und Werte. Und: Wertschätzende Unternehmenskulturen sind die Voraussetzung für nachhaltige Betriebsergebnisse. Von Anna Maria Pircher Friedrich

Ja, liebe Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen, Sie sind frei Ihre Zukunft zu erschaffen. Welche Gestalt wollen Sie also dieser Zukunft in unseren komplexen, turbulenten und herausfordernden Zeiten geben? Mit Blick auf diese Frage eröffnen sich drei Möglichkeiten: Sie können an der Situation verzweifeln und zerbrechen: keine gute Idee. Sie können in die Opferrolle gehen, jammern, nach Schuldigen suchen und verbittert werden: ebenfalls keine gute Idee. Die dritte konstruktive Option: mit Hilfe sinnorientierter, menschenwürdiger und lebensbejahender Haltungen an den Herausforderungen menschlich und unternehmerisch wachsen. Die folgenden grundlegenden Fragestellungen ermöglichen den Einstieg in diese Thematik:

  1. Warum sind Führungsstärke und wertschätzende Unternehmenskulturen die Voraussetzungen für nachhaltig gute Betriebsergebnisse?
  2. Warum erfordert eine wertvolle Zukunftsgestaltung ein würdevolles Menschenbild?
  3. Warum brauchen Menschen und Unternehmen Sinn und Werte?
  4. Wie kann durch eine sinnorientierte, wertschätzende Kultur die Attraktivität der Arbeitsplätze, die Motivation und unternehmerischer Erfolg erfolgen?

1. Warum sind Führungsstärke und förderliche Unternehmenskulturen die Voraussetzung für nachhaltig gute Betriebsergebnisse?

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ A. Einstein

Wir leben in einer weltweiten Transformationsphase, in der ein „Weiter so wie bisher“ nicht zu einer gesicherten und nachhaltigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zukunft führt. Die bisher weit verbreitete mechanistische, transaktionelle Auffassung von Führung – im Sinne von nur regelbasiertem „Befehl und Gehorsam“ – ist dazu absolut ungeeignet. Um zukünftige Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es Führender, die durch Persönlichkeitsstärke und Resilienz auf der Grundlage sinnorientierter Geisteshaltungen die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellen; eine der unabdingbaren Voraussetzungen, um die Attraktivität von Arbeitsplätzen auch in Kanzleien zu verbessern, die Potenziale der Mitarbeiter zu entfalten und deren Selbstmotivation – intrinsische Motivation – zu aktivieren. Hier liegen die Ressourcen der Zukunft. Führung bedarf somit einer neuen Bewusstseinsebene. Die aktuell entscheidende Frage lautet also nicht mehr „was kann ich anders machen?“, sondern „wie kann ich anders sein?“. Es geht darum, Potenziale und Talente durch Selbstwirksamkeitserfahrungen zu fördern und den Brückenschlag zwischen der Würde des Menschen und der ökonomischen Effektivität und Effizienz zu schaffen. Dabei geht es um zwei der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse:

  1. dem Leben, Führen und Leisten wohlwollend und engagiert zu begegnen,
  2. Sinnvolles zu bewirken und dazu eine sinnorientierte Gewinner-Gewinner-Haltung zu verinnerlichen; bewusst Nutzen für andere Menschen zu stiften und die krank machende Opferrolle zu vermeiden. Dies bedarf eines förderlichen „Mindsets/ Menschenbildes“ der Zuversicht, der Selbstklarheit, der Selbstbestimmtheit in Freiheit und Verantwortung, geistig-emotionaler, agiler Kompetenzen und eines wertschätzenden Miteinanders als Grundlage für jede Form von Nachhaltigkeit.

Dies erfordert ein endgültiges Abschiednehmen vom nur einseitig orientierten Fokus auf materielle Zahlenergebnisse und einer damit einhergehenden Instrumentalisierung, „Verzweckung“ und Entwürdigung des Menschen. Im vollen Bewusstsein, dass Umsatzzahlen und Gewinn immer nur das Ergebnis menschlicher Haltungen und Handlungen sein können. Denn nur glückliche Menschen (Führende, Mitarbeiter, Kunden und übrige Stakeholder) garantieren Zahlen und Bilanzen, die nachhaltig glücklich machen. Dies gilt besonders für Dienstleistungsunternehmen. Denn der Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt ist ein entscheidender und kritischer Erfolgsfaktor. Wie die Abb. 1 darstellt, ist die Geisteshaltung von der Führung entscheidend für das Miteinander. Lebt die Führung einen sinnorientierten, wertschätzenden „Geist“ vor, können die Mitarbeiter diesen „Geist“ an die Kunden weitergeben und so die Kunden begeistern. Hierin liegt ein sehr großes Potenzial sowohl der Mitarbeiter- als auch der Kundenbindung. Wir leben in einer emotional erkalteten Arbeitswelt. Tatsächlich sind Menschen aber soziale Wesen und sehnen sich nach guten zwischenmenschlichen Beziehungen. Wenn es gelingt, einen von der Führung ausgehenden wertschätzenden „Geist“ zu leben, kann diese Kernkompetenz zu enormen Wettbewerbsvorteilen führen. Zufriedene Mitarbeiter:innen sind produktiver und kreativer sind als unzufriedene. Zufriedene Mitarbeiter:innen steigern auch die Reputation des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt; und auch zufriedene Kunden leisten einen wesentlichen Beitrag zu einer guten Reputation des Unternehmens.

2. Warum erfordert eine wertvolle Zukunftsgestaltung ein würdevolles Menschenbild?

„Hab Achtung von dem Menschenbild.“ F. Hebbel

Menschenbilder wirken wie Stereotype, wie Vorurteile, und können menschlichen und unternehmerischen Erfolg ermöglichen oder verhindern. Die Zukunft können wir nicht vorhersehen, aber wir können sie auf der Grundlage unseres Menschenbildes zu gestalten versuchen! Alle Glaubenssätze, die sich im Laufe der Biografie eines Menschen durch Erziehung, Prägungen und Erfahrungen gebildet haben, verdichten sich zu einem in sich geformten Menschen- und Weltbild. Das Menschenbild umfasst also die individuellen Vorstellungen vom Wesen des Menschen. Da der Mensch Teil der Welt ist, ist das Menschenbild auch Teil des Weltbildes. Menschenbild wie Weltbild sind die Grundlage umfassender Überzeugungen. Diese gelten häufig als so selbstverständlich, dass sie kaum in Frage gestellt werden oder andere Sichtweisen zulassen. Diese Erkenntnis ist grundlegend für wirkungsvolles und wertschätzendes Führen. Wie aus Abbildung 2 erkennbar ist, beeinflussen Menschenbilder unser Beobachten, Wahrnehmen und Erkennen, unser Denken und Fühlen und letztendlich unser Handeln und Verhalten. Es gibt innere Bilder – „Mindsets“- Führender, die Menschen Angst machen, sie klein machen, sie in Hoffnungslosigkeit, Resignation und Verzweiflung stürzen. In diese Kategorie fallen die „Mindsets“ egozentrischer, nur zahlenorientierter Manager. Aber es gibt auch „Mindsets“, aus denen Menschen Mut, Kraft, Hoffnung, Lebendigkeit, Lernfreude, menschliches Wachstum, Resilienz und Gesunderhaltung schöpfen. Der bekannte Wiener Neurologe Prof. Viktor Frankl* hat uns ein würdiges, praktikables Menschenbild hinterlassen, das von den modernen Neurowissenschaften im Kern bestätigt und als Grundlage für ein gelingendes Leben und Leisten anerkannt wird. Mein auf dem Menschenbild Frankl’s aufbauendes sinnzentriertes Führungskonzept baut eine Brücke zwischen dem Menschen in seiner ganzheitlichen Kompetenz und ökonomischer Effizienz und Effektivität. Es vermittelt, wie immaterielle Werte in Steuerungs- und Führungssysteme integriert werden können, um die Würde des Menschen und die nachhaltige Wertsteigerung des Unternehmens in Einklang zu bringen. Das Menschenbild von Prof. Frankl kann Führenden und Mitarbeitern helfen, ein authentisches, emotional erfülltes, sinnvolles Leben auch in ihrer Arbeitswelt zu realisieren; laut aktuellen wissenschaftlichen Studien besonders für junge Arbeitnehmer:innen ein wichtiges Kriterium für die Wahl des Arbeitsplatzes. Auch für Ihre Kanzleien potentiell ein hervorragendes Qualitätsmerkmal zur Rekrutierung von Mitarbeiter:innen. Zudem kann das Franklʼsche Menschenbild helfen, Haltungen zu entwickeln, die bewusst Werte für alle Stakeholder schaffen und so einen großen Beitrag zur nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens leisten.

3. Warum brauchen Menschen und Unternehmen Sinn und Werte?

„Willst du dich deiner Werte freuen, so musst der Welt du Wert verleihen.“ J. W. V. Goethe

Menschen und Unternehmen brauchen Sinn und Werte und erkranken ohne starke oder mit falschen Werten und ohne Sinn. Tatsächlich sind Sinn und Werte seit geraumer Zeit in aller Munde, doch herrscht diesbezüglich viel Unklarheit und Unkenntnis. Nicht alle Werte sind in jeder Situation und zu jedem Zeitpunkt sinnvoll und schon gar nicht das sture und fanatische Festhalten an einem Wert. Häufig werden Werte als Marketinginstrumente missbraucht. Auch der Sinnbegriff – Purpose – wird nicht selten inhaltsleer instrumentalisiert. All dies hat mit echtem Sinn und dem Verinnerlichen und Leben starker Werte wenig zu tun. Gehen wir also zunächst der Frage nach, was Werte und Sinn bedeuten. Werte sind bewusste oder unbewusste Motive unseres Handelns. Ein Wert ist also das, was einem Menschen wichtig ist. Deshalb ist es entscheidend, besonders die uns leitenden unbewussten Werte durch Selbstbeobachtung und Selbstreflexion zu erkennen und deren Wirkung auf uns und andere Men schen zu hinterfragen; sie also auf ihre Lebens- und Wachstumsfreundlichkeit zu überprüfen. Unbewusste und unreflektierte Werte können uns in falsche Lebenswelten führen. Werte müssen „sinnvoll“ sein. Auch der Sinnbegriff selbst ist vielfach mit falschen Vorstellungen behaftet. So wird Sinn in mechanistischer, postmoderner Manier häufig als Eigennutz auf Kosten anderer verstanden. Ein weiterer verbreiteter Trugschluss von „Sinn“ und „sinnvoll“ liegt in einer überzogenen, nicht realistischen Erwartungshaltung des heutigen Menschen: sinnvoll kann es nur dann sein, wenn alles so perfekt läuft, wie man es uneingeschränkt gerne hätte, und man überall das bekommt, was man will; wenn keine Probleme auftauchen, wenn es keine Enttäuschungen gibt: kein Schmerz, kein Leid, nur ständiges Glücksgefühl. Eine sehr trügerische und illusorische Auffassung von Sinn, die notgedrungen in die existenzielle Sackgasse führt. Sinnvolles Leben und Leisten erfordern, dass wir zunächst sinnwidrige Haltungen, die aus verkürzten Menschenbildern und Denkhaltungen resultieren, erkennen und „über Bord werfen“. Sinn erfahren wir, indem wir Werte realisieren. Sinn ist das Realisieren der wichtigsten, lebensförderlichen Werte vor dem Hintergrund der Realität – der Möglichkeit. Sinn intendiert immer das Positive für alle am Prozess beteiligten Menschen. Eine Gewinner-Gewinner-Grundhaltung ist das Fundament sinnorientierter Entscheidungen und Handlungen und verhindert damit das für alle schädliche Gewinner-Verlierer-Denken Auf der Basis dieser Grundhaltung werden starke Werte leb- und erlebbar, die Erfolg, Erfüllung und Gesunderhaltung ermöglichen. Abbildung 3 soll dies darstellen. Die Erkenntnisse der modernen Neurowissenschaften beweisen, dass unser Gehirn nicht auf Egoismus, sondern auf Fairness, Vertrauen und Wertschätzung ausgerichtet ist. Immer, wenn wir diese Werte LEBEN und ERLEBEN, springt im Gehirn das sogenannte Motivationssystem an und belohnt uns mit der Ausschüttung intrinsisch motivierender und salutogener – gesund erhaltender – Wohlfühlhormone.

4. Wie kann durch eine sinnorientierte, wertschätzende Kultur die Attraktivität der Arbeitsplätze, die Motivation und unternehmerischer Erfolg erfolgen?

„Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.“ Viktor Frankl

Das Werteleben beginnt bei der Führung. Die Ausgangsfrage jeder sinnvollen Veränderung lautet folglich: Wes Geistes Kind bin ich, welches Menschenbild leitet mich bewusst oder unbewusst? Dazu sollten Führende immer wieder folgende Haltungen überprüfen:

  • Was denke ich über mich selbst?
  • Was bedeutet für mich Mensch sein, Führender/Unternehmer sein?
  • Welche Bedürfnisse und Ziele habe ich?
  • Welche Werte sollen mich durch mein Leben und Leisten führen?
  • Wofür stehe ich?
  • Was bedeutet für mich ganz persönlich Erfolg? An welchen Parametern möchte ich meinen Erfolg messen?
  • Welche Erwartungen stelle ich an mich selbst und an andere Menschen? Warum sollen Mitarbeiter gerne für mich arbeiten wollen?
  • Wie kann ich meine MitarbeiterInnen durch gezieltes Coaching zu Mitdenkern machen?
  • Warum sollen Kunden gerade in meine Kanzlei kommen?
  • Welchen Nutzen stifte ich durch meine Leistungen und für wen?
  • Worauf richte ich primär den Fokus: auf das Gelingende oder auf das Misslingende?
  • Wie gehe ich mit Enttäuschungen, Kränkungen, Niederlagen um?

Wenn die Beantwortung dieser Fragen auf kreativer und kritischer Selbstreflexion und einer Gewinner-Gewinner Haltung basiert, sind die Antworten ein wunderbares Rüstzeug für eine wertschätzende, konstruktive Haltung und eine optimale, förderliche Unternehmenskultur. Wenn Sie sich dann noch die Frage stellen: „Wofür möchte ich gelebt und gearbeitet haben?“, finden Sie Ihre ganz persönliche Sinn-Vision, aus der Sie Ihre Motivation schöpfen. Sie wissen also, wozu Sie gut sind: eine weitere, hervorragende Quelle der Motivation. Menschen wollen für ein Unternehmen arbeiten, auf das sie stolz sind, weil es einen positiven Beitrag für diese Welt leistet. Ist dies gewährleistet, befriedigt man automatisch vier entscheidende menschliche Bedürfnisse als Voraussetzung für erfolgreiches und gesund erhaltendes Arbeiten: Das Sinnbedürfnis: Wenn MitarbeiterInnen wissen, wofür sie diese Arbeit leisten, worin ihr positiver Beitrag liegt, entsteht ein hohes Maß an Selbstmotivation und Selbstverantwortung. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Autonomie: Menschen wollen sich als Teil des Unternehmens verstehen, trotzdem aber ihre Authentizität bewahren. Das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit und Wachstum: In jedem Menschen steckt dieses Bedürfnis, das durch gute Rahmenbedingungen und das Fordern und Fördern gewährleistet werden kann. Das Bedürfnis nach Wertschätzung und kritischer Begleitung: Echte Wertschätzung entspringt einer inneren Haltung gegenüber einer Person, die für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes unabdingbar ist. Nur auf dieser Grundlage sind Menschen offen für konstruktive Kritik und damit für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. „Wir haben nur die Welt, die wir mit anderen in Koevolution hervorbringen, und nur Liebe ermöglicht uns diese Welt hervorzubringen.“ Maturana und Varela Zusammenfassend ist es also Ihre persönliche Aufgabe, liebe Steuerberater:innen und Wirtschaftspüfer:innen, auf die folgende Kernfrage eine für Sie zutreffende Antwort zu finden: Welche Welt, welche Arbeitsplätze wollen Sie hervorbringen, für die es sich zu leben und zu arbeiten lohnt?

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