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Ausgabe 03/2022

Der Superminister

PORTRÄT. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher steht vor großen Herausforderungen. In Zeiten massiver Teuerung und steigender Energiepreise muss er auch die Folgen der Corona-Pandemie ausbaden. Theoretisch weiß er, wie das gehen könnte. Von Karin Pollack

Es war sicherlich ein Glücksgriff, als Sebastian Kurz den damaligen Chef des Instituts für Höhere Studien fragte, ob er nicht das Amt der scheidenden Arbeitsministerin Christine Aschbacher übernehmen würde. Diese hatte sich in Plagiatsvorwürfe verstrickt, die ÖVP war immer wieder in Skandale verwickelt und die Aussicht, dass ein Wissenschaftler durch Kompetenz Ruhe in die Regierung bringen könnte, gefiel fast auch der Opposition. Martin Kocher brauchte nur zwei Tage, um sich für das Amt des Arbeitsministers zu entscheiden. Am 11. Jänner 2021 wurde er von Bundespräsident Alexander van der Bellen angelobt. Er ist nicht Mitglied der österreichischen Volkspartei, sitzt aber auf einem ÖVP-Ticket, wie es im Polit-Jargon heißt. Sein Vater Edi Kocher sagte den „Salzburger Nachrichten“: „Es ist eine schwere Aufgabe, aber das mag er auch beim Sport.“

Studium der Volkswirtschaftslehre
Martin Kocher, Jahrgang 1973, wuchs zusammen mit einer drei Jahre älteren Schwester in Altenmarkt in Pongau auf. Wie es im Salzburgerland üblich ist, stand er mit drei Jahren zum ersten Mal auf den Schiern, denn seine beiden Eltern waren Schilehrer, und die Begeisterung dafür hielt die gesamte Schulzeit. Er trainierte im Jugendkader, Hermann Maier war eine Klasse über ihm, Michael Walchhofer zwei Klassen unter ihm. „Für eine Karriere als Schiläufer hat es aber dann nicht gereicht“, erzählt er oft. Nach der Matura machte er ein kurzes Praktikum als Journalist bei den „Pongauer Nachrichten“, entschied sich aber dann für ein Studium der Volkswirtschaftslehre in Innsbruck. Martin Kocher tauchte voll und ganz ins akademische Leben ein. Er interessierte sich besonders für Verhaltensökonomie und experimentelle Wirtschaftsforschung und dissertierte 2002 zum Thema „Very small countries: Economic success against all odds“. Sein Kommentar dazu: „Dieses Thema war keineswegs richtungsweisend für meine Laufbahn, denn Österreich gehört nicht in diese Kategorie.“ Mit großem Elan nutzte Kocher sämtliche Möglichkeiten, Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Er verbrachte zwei Jahre in Amsterdam und an der University of East Anglia in Norwich, bevor er schließlich als Professor an die Ludwig Maximilians-Universität in München wechselte. Im Rahmen von Gastprofessuren lehrte er aber auch im schwedischen Göteborg und an der University of Queensland in Brisbane/Australien.

Leiter des Instituts für Höhere Studien
2016 schließlich entschied sich Martin Kocher, den Job als Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS) anzunehmen, 2017 kam eine Professur an der Universität Wien dazu. Politikberatung wurde eine seiner Aufgaben und auf diese Weise lernte er Sebastian Kurz kennen, der mit den tendenziell bürgerlichliberalen Expertisen Kochers etwas anzufangen wusste. Als Arbeitsminister stand er im engen Austausch mit der Regierung, die das Land durch die Corona-Pandemie zu führen hatte. Im Jahr 2020 wurde Kocher Mitglied des Fiskalrats und seit Mai 2022 ist er nach dem Abgang von Margarete Schramböck nun auch Wirtschaftsminister der Republik Österreich. „Es gibt auch andere große Ministerien“, kommentiert er die Doppelfunktion eher lapidar, obwohl seine aktuelle Agenda eine Mammutaufgabe ist. Da ist zum einen die Arbeitsmarktpolitik, in der es um Fachkräftemangel, ein Zurückfahren der Kurzarbeit und eine Arbeitslosenversicherungsreform geht. Zum anderen arbeitet Kocher an Maßnahmen zur Abfederung der Inflation. Zusammen mit dem Finanzminister will er eine „kalte Progression“ verhindern und dabei aber auch einen sozialen Ausgleich schaffen. Auch über die hohen Lohnnebenkosten für Unternehmen denkt Kocher nach und darüber, wie Geld in die Staatskassen gespült werden könnte. „Die Erbschaftssteuer ist im Regierungsprogramm nicht vorgesehen und wird daher auch nicht kommen“, sagte er in einem Interview.

Immer die Nerven bewahren!
Aktuell halten ihn auch die hohen Energiepreise in Schach. Von Deckelung hält er nichts, weil das zu Versorgungsengpässen führt, er will eher jene unterstützen, die wirklich Schwierigkeiten haben, ihre Rechnungen zu bezahlen. Als einer der wenigen Minister denkt er über seine Amtszeit hinaus und macht immer wieder auf die demografischen Veränderungen in den nächsten Jahren aufmerksam. Die Zahl der Pensionisten und Pensionistinnen nimmt zu, die Erwerbstätigen werden weniger. Deshalb müsse dieses Ungleichgewicht schon heute in Angriff genommen werden, wird er nicht müde zu wiederholen. Trotz allen Belastungen scheint der Arbeits- und Wirtschaftsminister jedoch immer die Nerven zu bewahren. Als „blitzgescheit und in sich ruhend“ hat ihn seine Frau einmal beschrieben. Die beiden sehen sich am Wochenende, weil sie in München arbeitet. Das Power-Couple ist seit 2003 glücklich verheiratet. Wie Martin Kocher sich selbst sieht? „Meine Hausmacht ist die Expertise“, sagt der Volkswirt und steuert das krisengebeutelte Schiff Österreich durch stürmische Zeiten. Wie Politik geht, weiß er mittlerweile auch sehr genau.

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