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Ausgabe 02/2013

Anspruch und Pflichtteil

STIFTUNGSRECHT. Sind Pflichtteils(ergänzungs)zahlungen aus Privatstiftungen kapitalertragsteuerpflichtig? Von Thomas Keppert

Das BMF vertritt in wiederholten Auskünften die Ansicht, dass Pflichtteilsergänzungszahlungen aus dem Vermögen einer Privatstiftung an übergangene Noterben aufgrund einer (klagsweise) geltend gemachten Schenkungsanrechnung nach § 951 ABGB kapitalertragsteuerpflichtige Zuwendungen i.S.d. § 27 Abs. 5 Z 7 EStG darstellen. Diese Ansicht ist zu diskutieren.

Wie kommt es in der Praxis zu Pflichtteilsergänzungszahlungen aus einem Stiftungsvermögen?

Wenn der verstorbene Stifter die Privatstiftung als Alleinerben eingesetzt hat, haben die übergangenen Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser bemisst sich am inventarisierten Vermögen des Erblassers und der gesetzlichen Pflichtteilsquote. Bei Stiftungen kommt nun noch die Besonderheit hinzu, dass nach der Judikatur des OGH (5.6.2007, 10 Ob 45/07a) bei solchen Stiftungen, bei denen sich der Stifter ein Widerrufsrecht vorbehalten hat, das schon lange vor dem Tod des Stifters gestiftete Vermögen erst im Zeitpunkt des Ablebens des Stifters als endgültig der Stiftung zugewendet angesehen wird. Das Vermögensopfer des Stifters gilt in diesen Fällen erst im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (Stifters) erbracht. Daher kommt in diesen Fällen die Schenkungsanrechnung nach § 785 Abs. 3 ABGB zum Zuge und das gesamte vom Erblasser zuvor gestiftete Vermögen ist bei der Berechnung des Pflichtteils der übergangenen Noterben zu berücksichtigen. Wenn nun in einem derartigen Fall das vom Stifter der Stiftung vererbte Vermögen nicht ausreicht, um die Pflichtteilsansprüche zu befriedigen, muss die Stiftung aus ihrem Vermögen Pflichtteilsergänzungszahlungen vornehmen.

Welche Argumente sprechen nun gegen eine Kapitalertragsteuerpflicht derartiger Pflichtteilsergänzungszahlungen aus einer Privatstiftung?

  • Die Erfüllung eines gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs durch eine Privatstiftung kann keine Zuwendung i.S.d. § 27 Abs. 5 Z 7 EStG sein. Es mangelt an der dem Zuwendungsbegriff inhärenten Freiwilligkeit. Die dagegen vom BMF ins Treffen geführte Argumentation, dass keine Zuwendung freigiebig erfolgt, sondern in Erfüllung des Stiftungszwecks, somit aufgrund der satzungsmäßig auferlegten rechtlichen Verpflichtung, scheint nicht stichhaltig. Denn jede Zuwendung basiert letztlich auf der autonomen Entscheidung des Stifters oder des Stiftungsvorstands. Pflichtteils(ergänzungs)zahlungen an übergangene Noterben stellen hingegen die Erfüllung einer vom Gesetz der Stiftung auferlegten Verpflichtung dar.
  • Eine Zuwendung setzt eine tatsächliche Bereicherung des Zahlungsempfängers sowie einen subjektiven Bereicherungswillen der Stiftung voraus. Im Fall der Bezahlung eines Pflichtteils(ergänzungs)anspruchs liegt weder eine tatsächliche Bereicherung des Zahlungsempfängers noch eine subjektive Bereicherungsabsicht durch die Stiftung vor. Für die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs durch die Stiftung ist keine Genehmigung durch den Stiftungsvorstand erforderlich. Er kann klags- und exekutionsweise durchgesetzt werden.
  • Das der Stiftung als Alleinerbin vom verstorbenen Stifter zugewendete Vermögen ist von vornherein mit den Pflichtteilsansprüchen der Noterben belastet. Daher mindern die Pflichtteils(ergänzungs-)ansprüche auch die Bemessungsgrundlage der Stiftungseingangssteuer (siehe § 1 Abs. 5 StiftEG).

Den StiftR 2009 ist zur hier gegenständlichen Frage wenig Dienliches zu entnehmen. In Rz 213 StiftR wird lediglich dargelegt, dass es eine Legaldefinition des Zuwendungsbegriffs nicht gebe. Zuwendungen lägen aber auch vor, wenn die Vermögensübertragung durch eine Bedingung oder Befristung auferlegt sei (z.B. eine Nacherbschaft).

Aus den vorhandenen Literaturmeinungen ist insbesondere auf Stangl (in Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungs-Steuerrecht, Tz II/521) hinzuweisen, wonach die Erfüllung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs durch eine Privatstiftung nicht als einkommensteuerpflichtige Zuwendung anzusehen sei. Gleiche Ansicht wird von Marschner (in Jakom 2012, Rz 288), Prechtl (SWK 2007, S 534), Fraberger/Haslinger (ZFS 2008, 49) und Ludwig (in FS Bruckner 157 ff) vertreten.

Da das BMF an seiner gegenteiligen Ansicht derzeit fest hält, wird die gegenständliche Streitfrage wohl erst durch den VwGH endgültig entschieden werden.

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