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Ausgabe 01/2023

Praktische Tipps bei der Einreichung von Beschwerden

BESCHWERDEN. Neue Rechtslage zum Neuerungsverbot und zur Erstattung von Vorbringen. Von Christian Prodinger

Hinsichtlich der unterschiedlichen Anwendungsfälle unterscheidet das Gesetz zunächst zwischen den Fällen einer erstmaligen Verbuchung bzw. Abgabenfestsetzung (Abs. 1) und jenen einer abgeänderten Abgabenfestsetzung (Abs. 2).

Bescheidbeschwerde
Gegen Bescheide kann bekanntlich innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids Beschwerde erhoben werden. Diese Frist ist auch verlängerbar, wobei dies nur aus „berücksichtigungswürdigen Gründen“ geschehen darf. Der Antrag ist daher entsprechend zu begründen. Möglich ist nach dem VwGH auch, eine Beschwerde einzureichen und auf das Nachreichen der Begründung hinzuweisen.

Beschwerde gegen Wiederaufnahmebescheide
Oftmals ergehen neue Sachbescheide nach einer Außenprüfung, und die entsprechenden Jahre sind wiederaufzunehmen. Wichtig ist daher zu prüfen, ob die Wiederaufnahme rechtens war, also insbesondere, ob tatsächlich neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel vorliegen. Immer wieder ist auch die Begründung der Wiederaufnahme im Bescheid falsch dargestellt oder das Ermessen falsch ausgeübt. Durch eine Beschwerde über die Wiederaufnahme können daher zusätzliche Chancen für das Obsiegen erarbeitet werden.

Verzicht auf BVE
Grundsätzlich muss über die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung („BVE“) entschieden werden. Wenn nach einer Betriebsprüfung klar ist, dass das Finanzamt weiter auf seiner Meinung bestehen wird, empfiehlt sich der Verzicht auf die BVE. Damit können weitere Schriftsätze und Kosten vermieden werden. Das Finanzamt muss dann allerdings innerhalb von drei Monaten die Beschwerde vorlegen. Es ist zu empfehlen, in diesem Fall mit dem Finanzamt vorab Kontakt aufzunehmen.

Beantragung einer mündlichen Verhandlung
Eine mündliche Verhandlung ist die letzte Chance, neue Beweismittel vorzulegen und Argumente einzubringen. Es sollte daher in jeder Beschwerde eine mündliche Verhandlung beantragt werden. Der Antrag kann auch im Vorlageantrag geschehen. In diesem Fall darf aber nicht auf die BVE verzichtet worden sein. Legt dann das Finanzamt nämlich gleich vor, kann eine mündliche Verhandlung nicht mehr beantragt werden. Der Antrag kann jederzeit zurückgezogen werden, sodass noch immer mit der Richterin abgestimmt werden kann, ob eine mündliche Verhandlung tatsächlich sinnvoll ist.

Beantragung durch Entscheidung durch den gesamten Senat
Eine Senatsentscheidung bringt insofern wenig Vorteile, als bei Stimmengleichheit der Vorsitzende entscheidet. Oftmals ist der Vorsitzende auch die Richterin, die den Fall bearbeitet. Ist aber die beisitzende Richterin die Bearbeiterin, so hat man durch den Senat eine zusätzliche Chance. Auch hier kann der Antrag jederzeit zurückgezogen werden. Dies ist dann sinnvoll, wenn durch eine Senatsentscheidung keine andere Entscheidung erwartet werden kann. Die Richterin ist dann dankbar, weil viel weniger Arbeit entsteht.

Erstattung von Vorbringen
§ 270 Abs. 2 BAO lautet: „Jede Partei hat ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann (Verfahrensförderungspflicht)“. Die neue Regelung ist nach § 323 Abs. 73 BAO erstmals auf Beschwerdevorlagen bzw. Beschwerdeeingänge nach dem 31.8.2022 anzuwenden. Im Zusammenhang mit § 183 Abs. 3 BAO können daher Beweisanträge auch abgelehnt werden. Allerdings ist ein Beweisantrag, der im Vorlageantrag gestellt wird, jedenfalls als rechtzeitig einzustufen. Natürlich bestehen hinsichtlich dieser neuen Bestimmung noch keine praktischen Erfahrungen, ob „so heiß gegessen wie gekocht wird“. Aus Sicherheitsgründen wird man sich an die Bestimmung halten müssen. Dies bedeutet, dass jedenfalls alle Beweisanträge und damit alle Beweismittel (z.B. Urkunden, letztlich aber auch private Sachverständigengutachten, die als Urkunden gelten, usw.) spätestens mit dem Vorlageantrag eingebracht werden müssen. Rechtliche Argumentationen können dagegen auch später nachgeschoben werden. Der Vorlageantrag kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der BVE gestellt werden. Die Frist ist wiederum aus berücksichtigungswürdigen Gründen, allenfalls auch mehrfach, verlängerbar. Aus Sicherheitsüberlegungen müsste man daher die Frist für den Vorlageantrag unter Bekanntgabe der noch zu erbringenden Beweismittel ausreichend lange, allenfalls eben mehrfach, verlängern. Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich ableiten, dass ein Verstoß gegen die Verfahrensförderungspflicht (mit der Möglichkeit der Ablehnung des Beweises) bereits dann vorliegt, wenn aus objektiver Sicht keine sachlichen Gründe dafür vorliegen, dass nicht spätestens beim Vorlagebericht der Beweisantrag eingebracht hätte werden können. Es kommt daher nicht auf eine nachgewiesene Verschleppungsabsicht an; entscheidend ist die rein objektive Sicht. Der Steuerpflichtigen werden die meisten Tatsachen und Beweismittel bekannt sein. Nur tatsächlich neu hervorgekommene Beweismittel können auch später vorgebracht werden. Insofern sollten also alle bereits bekannten Unterlagen auch tatsächlich vorgelegt und in eine einheitliche Argumentation einbezogen werden. Ein „Taktieren“ bringt nichts und ist nun auch gesetzlich verboten. Ob ein Sachverständigengutachten, das etwa im Vorlageantrag als Beweismittel angekündigt wird, auch nachher noch eingebracht werden kann, wenn sich die Erstellung innerhalb der Vorlagefrist nicht ausgeht, ist noch nicht geklärt. Wird auf eine BVE verzichtet (siehe oben), so gibt es bei sofortiger Vorlage keinen Vorlageantrag, sodass in diesem Fall die Beweismittel bereits in der Beschwerde vorgelegt werden müssen. Selbstverständlich wirkt die Bestimmung insofern befremdend, als das Finanzamt ja oft monatelang und jahrelang ermittelt oder ausreichende Ermittlungen gar nicht durchführt und auch Verfahren vor dem BFG jahrelang dauern und über lange Zeiträume keinerlei Schritte gesetzt werden. Nichtsdestotrotz muss die Bestimmung beachtet werden, damit nicht Beweismittel womöglich abgelehnt und daher nicht mehr berücksichtigt werden.

Erscheinungsdatum:

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