Seitenbereiche

Ausgabe 01/2022

Angleichung der Kündigungsbestimmungen

ARBEITSRECHT. § 1159 ABGB in neuer Fassung ist in Kraft getreten und auf all jene Kündigungen anzuwenden, die nach dem 30.9.2021 ausgesprochen werden. Ein Überblick. Von Florian Schrenk

Mit Oktober 2021 wurde ein Meilenstein bezüglich der Angleichung der Rechte von Arbeitern an jene der Angestellten erreicht: § 1159 ABGB in neuer Fassung ist in Kraft getreten und auf all jene Kündigungen anzuwenden, die nach dem 30.9.2021 ausgesprochen werden. Die Kündigungsbestimmungen des § 1159 ABGB i.d.F. BGBl I 2017/153 sind daher grundsätzlich gleichlautend mit jenen des § 20 AngG. Es gibt jedoch Ausnahmen für Saisonbranchen und in der Arbeitskräfteüberlassung.

Was wurde konkret geändert?
Für Arbeiter, deren Beschäftigungsverhältnis bereits vor dem 1.10.2021 begonnen hat, gelten – mangels anderslautender kollektivvertraglicher Bestimmungen – für Kündigungen ab 1.10.2021 ebenso die Fristen und Termine des § 1159 ABGB neue Fassung. Die Betriebszugehörigkeit wirkt sich also entsprechend auf die Kündigungsfrist aus. Für den Arbeitgeber ist – sofern es keine abweichende Vereinbarung gibt – darüber hinaus das Quartal als Kündigungstermin zu beachten. Sofern Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Beendigungserklärungen abgeben, die als frist- oder terminwidrig zu werten sind, entfalten diese jedenfalls eine Beendigungswirkung. Die Beendigung selbst wird jedoch als fristwidrige Kündigung mit Rechtsfolgen entweder wie bei einer unberechtigten Entlassung oder einem unberechtigten vorzeitigen Austritt zu werten sein.

Gesetzliche Grundregelung
Der Arbeitgeber kann das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten 2. Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten 5. Dienstjahr auf drei Monate, nach dem vollendeten 15. Dienstjahr auf vier Monate und nach dem vollendeten 25. Dienstjahr auf fünf Monate. Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die genannte Dauer herabgesetzt werden, jedoch kann durch Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Dienstvertrag vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am 15. oder am Letzten des Kalendermonats endet. Zu beachten sind etwaige kollektivvertragliche Sonderregelungen, wie etwa bei Handelsangestellten. Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Arbeiter das Dienstverhältnis mit dem letzten Tag eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung auf die Dauer von bis zu sechs Monaten ausgedehnt werden, doch darf die vom Arbeitgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Arbeiter vereinbarte Kündigungsfrist. Zu beachten ist, dass der Arbeiter selbst ebenfalls die Möglichkeit hat, zum 15. und Monatsletzten zu kündigen, wenn das vereinbart wurde. Gemäß § 1159 Abs. 4 ABGB können durch Kollektivvertrag für Branchen, in denen Saisonbetriebe i.S.d. § 53 Abs. 6 ArbVG überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden. Eine abweichende Regelung kann eine Neuregelung, aber auch die Beibehaltung der bisher geltenden Kündigungsbestimmungen sein. Als Branche ist grundsätzlich der bestehende fachliche Geltungsbereich zu sehen. Um es zu verdeutlichen: In Saisonbranchen kann der Kollektivvertrag die Kündigungsfrist bzw. den Kün digungstermin völlig frei und abhängig von der gesetzlichen Regelung festlegen. In diesen Branchen sind somit auch weiterhin sehr kurze Kündigungsfristen zulässig oder die Nichtfestlegung eines Kündigungstermins. Oftmals werden die bisherigen Kündigungsbestimmungen beibehalten.

Was sind nun Saisonbranchen?
Zunächst gibt es eine Vielzahl von Kollektivverträgen, die in den letzten Monaten und Jahren ihre Eigenschaft als Saisonbranche explizit im Kollektivvertrag festgeschrieben haben. Derartige Formulierungen lauten etwa wie folgt: „Von den Kollektivvertragspartnern wird übereinstimmend und ausdrücklich festgehalten, dass die Betriebe, die diesem Kollektivvertrag unterworfen sind, einer Branche zugehörig sind, in der Saisonbetriebe überwiegen (Saisonbranche im Sinne von § 1159 Abs. 2 ABGB, i.d.F. BGBl I 153/ 2017).“ Da § 1159 Abs. 4 ABGB keine ausdrückliche Aussage zur Saisonbranche im Kollektivvertrag verlangt, kann eine Saisonbranche auch dann vorliegen, wenn die oben beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind, ohne dass der Kollektivvertrag eine ausdrückliche Festlegung vornimmt. Von diesen Fällen betroffen sind die beiden Kollektivverträge Arbeiter Baugewerbe/-industrie sowie Arbeiter Gastronomie/Hotellerie. In diesen Branchen liegen erhebliche Schwankungen der Beschäftigtenzahlen und des Arbeitsvolumens, somit Saisonbetriebe vor, die weiters überwiegen. Dies wurde vom Gesetzgeber bereits in den Erläuterungen festgehalten. Während im Bereich der Bauwirtschaft hier eine übereinstimmende Rechtsansicht der Sozialpartner besteht, ist diversen Aussendungen zu entnehmen, dass es für die Gastronomie/ Hotellerie eine abweichende Rechtsansicht der Gewerkschaft Vida gibt. Der zuständige Fachverband in der Wirtschaftskammer Österreich hat daher bereits einen Feststellungsantrag beim OGH eingebracht, sodass das Höchstgericht diese Rechtsfrage klären soll. Bis zur Entscheidung des OGH empfiehlt es sich jedenfalls, nach Möglichkeit einvernehmliche Lösungen zu vereinbaren. Auch besteht die Möglichkeit, den 15. und Monatsletzten zur Sicherheit als Kündigungstermin zu vereinbaren, falls das Quartal schlussendlich gesetzlich zur Anwendung gelangen sollte. Entsprechende Formulierungsvorschläge finden sich etwa auf der Homepage der Fachverbände Gastronomie/ Hotellerie der WKO.

Kollektivvertragliche Regelungen in Nicht-Saisonbranchen
In Kollektivverträgen, die keine Saisonbranche betreffen, sind in vielen Fällen Klarstellungen im Kollektivvertrag erfolgt und neue Regelungen geschaffen worden. Sind die bisherigen Regelungen beibehalten worden, ist eine Auslegung notwendig. Dabei sind jene Bestimmungen (teil-) nichtig, die gegen § 1159 ABGB verstoßen. Jene Regelungen, die gem. § 1159 Abs. 4 ABGB als für den Arbeitnehmer günstiger zu werten sind, bestehen aber weiter. Nach der einschlägigen Literatur sind nachfolgende Vereinbarungen günstiger und wohl auch über den 30.9.2021 rechtswirksam:

  • längere Kündigungsfristen für den Arbeitgeber,
  • kürzere Fristen für den Arbeitnehmer,
  • Arbeitnehmer-Fristen, die nicht länger als jene des Arbeitgebers sind
  • Vermehrung der Kündigungstermine für den Arbeitnehmer.
  • Eine Vermehrung der Kündigungstermine nur für den Arbeitgeber ist ebenso zulässig, sofern der Arbeitnehmer nicht an die längeren Arbeitgeber-Fristen gebunden ist.

Kündigungen in Bereichen ohne Kollektivvertrag
Unterliegt das Arbeitsverhältnis keinem Kollektivvertrag, können vom Gesetz abweichende Regelungen nur Bestandteil von Betriebsvereinbarungen oder Dienstverträgen sein. Dabei sind sowohl die Vereinbarung zusätzlicher Kündigungstermine (15., Monatsletzter) denkbar, als auch vom Gesetz abweichende (und zulässige) Kündigungsfristen.

Zusammenfassung
Zusammengefasst sind nachfolgende Regelungen denkbar:

  • Saisonbranchen können explizit geregelt sein (z.B. Güterbeförderung), wodurch entweder die bisherigen Kündigungsbestimmungen weiterhin gelten oder sonstige von § 1159 ABGB n.F. abweichende Kündigungsbestimmungen geregelt sind.
  • Saisonbranchen können auch implizit als solche gelten (z.B. Baugewerbe, Gastro), sodass die bisherigen Kündigungsbestimmungen auch ohne explizite Regelung im Kollektivvertrag weiterhin gelten. Zu beachten ist derzeit die Rechtsansicht der Gewerkschaft.
  • „Hybrid“-Branchen sind jene Branchen, bei denen innerhalb eines Kollektivvertrags in eine Saison- und eine Nicht-Saison-Branche unterschieden wird (z.B. Metallgewerbe).
  • In Nicht-Saisonbranchen kommt es – auch wenn der Kollektivvertrag weiterhin kurze Fristen und Termine beinhalten sollte – jedenfalls zur Anwendung der längeren Kündigungsbestimmungen für Arbeitgeber. Auf Arbeitnehmerseite werden aufgrund von Günstigkeitsüberlegungen in diesem Fall wohl die kürzeren Fristen und Termine weiterhin gelten.
  • In Nicht-Saisonbranchen können die Sozialpartner aber auch explizit auf die Neuregelung verweisen, sodass für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die neuen Kündigungsbestimmungen gelten. Darüber hinaus kann im Kollektivvertrag der 15. und Monatsletzte als Kündigungstermin festgelegt werden.

Unter komko.at finden Sie eine kostenlose Übersichtstabelle zu den kollektivvertraglichen Regelungen der gängigsten Branchen.

Erscheinungsdatum:

Mit diesem QR-Code gelangen Sie schnell und einfach auf diese Seite
Mit diesem QR-Code gelangen Sie schnell und einfach auf diese Seite

Scannen Sie ganz einfach mit einem QR-Code-Reader auf Ihrem Smartphone die Code-Grafik links und schon gelangen Sie zum gewünschten Bereich auf unserer Homepage.