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Ausgabe 01/2021

Vom richtigen Zeitpunkt

NACHFOLGE. Über das Thema Kanzleinachfolge in herausfordernden Zeiten. Von Gilbert Ferner und Sabine Kosterski

Die Kollegen sind in dieser Zeit neben dem täglichen Geschäft – durch die zusätzlichen Corona-Beratungsthemen voll ausgelastet, wenn nicht schon überlastet. Wann soll da noch Zeit bleiben, um sich mit einer anstehenden Kanzleiübergabe auseinanderzusetzen? Der Zeitpunkt eines möglichen Pensionsantritts rückt dennoch näher und holt einen früher oder später ein. Oft ist es auch sehr schwer möglich, aufzuhören, weil die eigene Uhr immer noch schnell tickt oder man das Gefühl schlecht aushält, nicht mehr so gebraucht zu werden. Und diese Grenze sollte man versuchen, nicht zu überschreiten. Sich Gedanken zur eigenen Lebensplanung zu machen, kurz anzuhalten, ob man bis ans Lebensende arbeiten möchten, diese Zeit sollte man sich gönnen. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um zu übergeben? Erst dann, wenn das Privatleben fast keinen Platz mehr einnimmt, wenn man für seine Gesundheit keine Zeit mehr findet, wenn kein Ausgleich zum Beruf mehr möglich ist. Oder schlicht und einfach dann, wenn man noch etwas anderes vorhat im Leben. Hier denke ich an eine Steuerberaterin, die immer schon tauchen wollte, oder an einen Wirtschaftsprüfer, der sich „dann irgendwann“ Zeit für seine Enkel nehmen wollte. Oder was immer der Kanzleiübergeber in seinem Leben noch geplant hat und dafür bis dato keine Zeit hatte. Die eigene Zeit wird nicht mehr. Das eigene Leben zu planen, darf Zeit kosten. Hier sollte man auch auf sein Bauchgefühl hören. Wenn einem vieles schon schwerfällt, wird der Bauch „Ja“ sagen und dann ist es immer auch ein Zeichen für den richtigen Zeitpunkt für die Übergabe.

Sich Gedanken zur eigenen Lebensplanung zu machen, kurz anzuhalten, sich zu fragen, ob man bis ganz ans Lebensende arbeiten möchte, diese Zeit sollte man sich gönnen.

Viele Steuerberater haben das Gefühl, dass sie es sich nicht zugestehen dürfen, gerade in dieser Krisenzeit ihre Klienten allein zu lassen: Ich kann meine Klienten doch jetzt nicht „verlassen“. Daher wird dieser Gedanke immer wieder weggeschoben. Nur durch einen passenden, vielleicht sogar ähnlichen Nachfolger kann das Wohl der Klienten sehr gut gesichert werden. Das Rad wird sich weiterdrehen und man darf sich mit anderen Dingen beschäftigen auch das kann Spaß machen und der Druck des Alltagsgeschäfts löst sich auf. Die eigenen Klienten würden wohl auch nicht die eigene geplante Übergabe verschieben, um den eigenen Steuerberater weiter zu beschäftigen. Hier darf sehr wohl das eigene Interesse im Vordergrund stehen, die Zeit ist endlich und durch eine Einführung des Nachfolgers ist eine gute Weiterbetreuung der Klienten gewährleistet.

Ist meine Kanzlei in Corona-Zeiten noch etwas wert?

  • Der Kanzleiwert/Verkaufspreis wird von folgenden Faktoren bestimmt:
  • Klientenstock: Altersstruktur, Branchen, Nachhaltigkeit des Umsatzes, Umsatz- Art, Klientenzugänge und -abgänge.
  • Mitarbeiter: Qualifikation, Altersstruktur, Gehaltsstruktur, Beschäftigungsdauer, Produktivität der Mitarbeiter
  • Finanzen: Kostenstruktur, Betriebsergebnis, bereinigte Rendite, Umsatzentwicklung
  • weitere Faktoren: Lage (urban oder ländlich), Digitalisierungsstand, Zustand Einrichtung und IT, Kanzleiorganisation, Arbeitszeit Übergeber, Übergabeszenario.

Die meisten dieser Faktoren sind bis dato Corona-unabhängig. Lediglich beim Klientenstock kann in krisengebeutelten Branchen die Klientenanzahl negativ beeinflusst sein. Hier kann durch spezifische Abschmelzungsklauseln das Risiko geteilt und abgefedert werden. In der Regel wird ein Klientenstock abhängig von der Rendite – nach wie vor mit 100 % vom nachhaltigen Umsatz bewertet.

Findet man noch Nachfolger?

Ein Nachfolger hat durch die Übernahme einer bestehenden Kanzlei im Vergleich zu einer Neugründung viele Vorteile:

  • sofort loslegen und Ersparnis der schwierigen, oft zermürbenden unsicheren Gründungsphase
  • Übernahme qualifizierter Mitarbeiter, die die Klienten kennen und als Ansprechpartner etabliert sind.
  • Basis für Kanzleientwicklung durch vorhandene Klienten und Umsatz
  • praxiserprobte Kanzleiprozesse, ein - gespieltes Kanzleiteam und Begleitung durch den Übergeber als Mentor

An diesen Fakten ändert Corona nichts. Nach wie vor herrscht hier ein Verkäufermarkt, d.h., der Verkäufer kann aussuchen. Nach wie vor gibt es genügend Interessenten (sowohl bestehende Kanzleien als auch Einzelpersonen) am Markt. Es zeichnet sich dennoch eine Entwicklung ab, die den Horizont in der Kanzleinachfolge erweitern muss und viel Potential sowohl für die Über - geber- als auch für die Übernehmerseite birgt: Junge Kolleginnen und Kolle - gen sind fachlich zu einer Übernahme in der Lage, fühlen sich aber manch - mal „allein auf weiter Flur“ mit der Investition und mit der hohen Verantwortung. Für alles verantwortlich zu sein, überfordert viele junge Kollegen. Eine Möglichkeit ist hier, die Verantwortung mit einem Dritten zu teilen. Beteiligungsmodelle, bei denen größere Strukturen, fachliches Spezialwissen, Verantwortung und Investment geteilt werden, tun hier gut. Möglichkeiten gibt esman muss sie nur sehen und zulassen. Wichtig ist, Möglichkeiten auf das Tapet bringen und zu besprechen und durchzudenken. Dann wird es leicht sichtbar und einer Übergabe und einer Übernahme steht nichts mehr im Wege. Viel Erfolg bei den nächsten Lebensschritten.

 

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