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Ausgabe 01/2019

Schwerpunkt: Rechtskraftdurchbrechung

BAO. Eine unserer nobelsten Aufgaben als Steuerberater ist, die Abänderung von Bescheiden zu Gunsten unserer Mandanten verfahrensrechtlich durchzusetzen und eine ebensolche zum Nachteil unserer Mandanten zu verhindern bzw. erfolgreich zu bekämpfen. Von Herbert Houf

Um diesem Anspruch zu genügen, bedarf es eingehender Kenntnisse der in der BAO vorgesehenen Verfahrenstitel zur Abänderung oder Berichtigung von Bescheiden und ihrer Anwendungsvoraussetzungen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die in diesem Zusammenhang relevanten Aspekte und Rechtsfragen und geht punktuell auf die einschlägigen Bestimmungen der BAO ein.

Allgemeines zu Rechtskraftdurchbrechung im Rahmen der BAO

Nach Eintritt der Rechtswirksamkeit eines Bescheides, also nach seiner Bekanntgabe (i.d.R. durch Zustellung), kann dieser nur noch abgeändert oder berichtigt werden, wenn für die Form der beabsichtigen Änderung oder Berichtigung eine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht. Die Durchbrechung der Rechtsbeständigkeit (als verfassungsmäßiges Grundprinzip) zu Gunsten der Rechtsrichtigkeit ist also nur in jenen Fällen zulässig, in denen der Gesetzgeber das ausdrücklich erlaubt oder anordnet.

Im Umkehrschluss ist die Anwendung eines Verfahrenstitels zur Rechtskraftdurchbrechung nur erforderlich, wenn über eine bestimmte Sache bereits eine behördliche Entscheidung in Bescheidform vorliegt. Ist eine solche noch nicht ergangen, bedarf es auch keiner besonderen verfahrensrechtlichen Anordnung, um einen Bescheid erlassen zu können.

Zur Durchbrechung der Rechtsbeständigkeit im Interesse der Rechtsrichtigkeit dient natürlich in erster Linie das Instrument der Bescheidbeschwerde gemäß §§ 243ff BAO, das aber naturgemäß nur der Partei zusteht (siehe § 246 BAO). Auf diese soll in diesem Beitrag nicht näher eingegangen werden. Von Interesse sind vielmehr die zahlreichen weiteren Verfahrenstitel, insbesondere §§ 293–307 BAO, die eine Änderung von Bescheiden erlauben. Darüber hinaus bestehen, insbesondere im Zusammenhang mit der Festsetzung von Nebenansprüchen i.S.d. § 3 Abs. 2 BAO, weitere Bestimmungen, die ebenfalls zu Bescheidkorrekturen führen können oder müssen.

Auf Grund zahlreicher Änderungen der BAO in den letzten rund 15 Jahren ist heute eine Situation gegeben, die eine weitgehende „Waffengleichheit“ zwischen Abgabenbehörde und Partei gewährleistet. Die zur Abänderung oder Berichtigung dienenden Verfahrenstitel können zumeist sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag der Partei zum Einsatz kommen. Nur auf Antrag der Partei zu erfolgen haben z.B. Maßnahmen nach § 205 Abs. 6 BAO, § 214 Abs. 5 BAO oder § 217 Abs. 7 und 9 BAO. Zwingende amtswegige Maßnahmen – ohne einen zu Grunde liegenden Antrag – sehen z.B. § 295 BAO, § 205 Abs. 1 BAO, § 212 Abs. 2 BAO, § 212a Abs. 9 BAO oder § 217 Abs. 8 BAO vor.

Von diesen Fällen abgesehen liegt auf Grund der einschlägigen Normen die Entscheidung über die Abänderung eines Bescheides zumeist im Ermessen der Abgabenbehörde, d.h. das Gesetz räumt der Behörde einen Entscheidungsspielraum ein. Diese hat ihre Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach Abwägung von Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Von essentieller Bedeutung ist dabei die Frage, welchem Zweck die Norm dienen soll, die das Ermessen einräumt. Ziel aller Verfahrenstitel zur Rechtskraftdurchbrechung ist – unter den jeweils gesetzlich definierten Voraussetzungen – ein rechtmäßiges Ergebnis. Daher geht die Judikatur davon aus, dass bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (und damit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, siehe § 114 Abs. 1 BAO) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben ist. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Änderung des Bescheides zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirkt. Daneben sind aber auch alle anderen Umstände des Einzelfalles bei der Interessenabwägung zu würdigen.

Eine entscheidende Frage im Zusammenhang mit der Abänderung oder Berichtigung von Bescheiden ist das Ausmaß der Änderungsbefugnis der Behörde. Gestützt auf § 251 BAO geht die Judikatur davon aus, dass – abgesehen von den gesetzlich normierten Ausnahmen – keine Teilrechtskraft eintreten kann, weil Bescheide, die an die Stelle eines früheren Bescheides treten, grundsätzlich in vollem Umfang anfechtbar sind. Implizit ergibt sich daraus zweierlei: Erstens kann der neue Bescheid grundsätzlich in jeder Hinsicht, sowohl hinsichtlich Spruch als auch Begründung, vom früheren Bescheid abweichen. Zweitens wird der frühere Bescheid durch den abändernden Bescheid aus dem Rechtsbestand verdrängt, weil es keine zwei wirksamen Entscheidungen über dieselbe Sache geben darf. Allerdings kann ein solcher „verdrängter“ Bescheid wieder aufleben, wenn der spätere, abändernde Bescheid – z.B. im Rahmen einer erfolgreichen Bescheidbeschwerde – wieder aus dem Rechtsbestand ausscheidet.

Als gesetzlich normierte Ausnahmen und somit Fälle der Teilrechtskraft sind die „hinzutretenden“ Bescheide zu nennen, die einen früheren Bescheid in seinem Bestand nicht berühren, sondern sich ihm zeitlich anschließen, z.B. die Einheitswertbescheide. Daher normiert § 193 Abs. 1 BAO, dass ein Einheitswertbescheid durch einen Fortschreibungsbescheid nur insoweit außer Kraft tritt, als Letzterer vom vorherigen Bescheid abweicht. Es liegt in diesem Fall Teilrechtskraft und eine nur eingeschränkte Anfechtungsbefugnis des Fortschreibungsbescheides vor.

Eine weitere wesentliche Ausnahme sind die sogenannten Berichtigungsbescheide. Darunter zu subsumieren sind die Fälle der §§ 293 – 293b BAO, die nur insoweit anfechtbar sind, als sie den ursprünglichen Bescheid berichtigen, ohne ihn aber aus dem Rechtsbestand zu verdrängen. Dies ergibt sich daraus, dass die entsprechenden Normen der Behörde nur eine teilweise Abänderungsbefugnis in ganz bestimmten Punkten einräumen, die Behörde also ihren (allenfalls neuen) Gestaltungswillen nicht in vollem Umfang in den Bescheid einfließen lassen kann. Aber auch in anderen Fällen, in denen es ausdrückliche Einschränkungen der behördlichen Änderungsbefugnis gibt, ergeben sich Einschränkungen der Anfechtbarkeit. Ein wesentlicher Anwendungsfall ist § 295a BAO, der rückwirkend zu berücksichtigenden Ereignissen zur Wirksamkeit verhelfen soll.

Es können auch Sachverhalte vorliegen, die nach verschiedenen verfahrensrechtlichen Normen zu Rechtskraftdurchbrechungen berechtigen. Ein Berichtigungsfall nach § 293 BAO kann gleichermaßen nach § 299 BAO abgehandelt werden, sofern die dort normierte Einjahresfrist noch nicht abgelaufen ist und die Unrichtigkeit i.S.d. § 293 BAO den Spruch des Bescheides betrifft. Gleichermaßen können innerhalb der Jahresfrist auch Wiederaufnahmegründe zu einer Aufhebung nach § 299 BAO führen. Die Abgabenbehörde, aber auch die Partei, ist in der Wahl des jeweiligen Verfahrenstitels frei, sofern der Sachverhalt unter mehrere Normen zu subsumieren ist. Die einzelnen Maßnahmen schließen sich wechselseitig nicht aus. Liegen allerdings die Voraussetzungen für verschiedene Maßnahmen vor, wird jener der Vorzug zu geben sein, die nicht im Ermessen liegt (also z.B. § 295 BAO anstelle von § 303 BAO).

Völlig unerheblich für die Anwendbarkeit eines bestimmten Verfahrenstitels ist, auf welche Weise die für die Abänderung oder Berichtigung maßgeblichen Sachverhalte hervorgekommen sind. Insbesondere macht es keinen Unterschied, ob solche Umstände beispielsweise durch eine abgabenbehördliche Prüfung oder durch die Offenlegung seitens der Partei bekannt werden.

Etwas differenzierter ist diese Frage i.Z.m. § 293b und § 303 BAO zu betrachten. § 293b BAO setzt eine offensichtliche Unrichtigkeit in der Abgabenerklärung voraus, die in den Bescheid übernommen wird. Eine solche Übernahme liegt vor, wenn die Abgabenbehörde einen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Sachverhalt dem Bescheid zugrunde legt, weil sie die Unrichtigkeit mangels entsprechender Prüfung nicht erkennt. Ist der Sachverhalt denkbar, führt er aber wegen einer offenbar unrichtigen Rechtsauffassung des Abgabepflichtigen zu einem unrichtigen Ergebnis, so ist § 293b BAO anwendbar, wenn die Abgabenbehörde die unrichtige Rechtsauffassung nicht gleich erkennt. Keine Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten liegt vor, wenn die Abgabenbehörde (bewusst) die unrichtige Rechtsauffassung teilt. Sind weitere Ermittlungen im Tatsachenbereich erforderlich, um die Unrichtigkeit einer Erklärung feststellen zu können, scheidet die Anwendung von § 293b BAO ebenfalls aus. Daher kann eine Unrichtigkeit, die erst aufgrund später vorgelegter Unterlagen ersichtlich wird, nicht nach § 293b BAO berichtigt werden. Es kommt letztlich immer auf den Wissensstand bei Erlassung des Bescheides an.

Ebenfalls differenziert ist diese Frage des Vorliegens eines Neuerungstatbestands i.S.d. § 303 Abs. 1 lit b BAO zu beantworten. Der VwGH geht in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass diese Frage im Fall einer Wiederaufnahme auf Antrag aus der Sicht der Partei zu beurteilen ist, was immer das in letzter Konsequenz bedeuten mag. Diese Ansicht steht im Widerspruch zu den Gesetzesmaterialien zur Einführung der nunmehr geltenden Bestimmung, die erkennen lassen, dass nach Wegfall der vor 2014 geltenden zusätzlichen Antragsvoraussetzungen (drei Monate Antragsfrist, kein grobes Verschulden der Partei) auch bei der Wiederaufnahme auf Antrag dem Wortlaut des Gesetzes folgend die neuen Tatsachen oder Beweismittel „im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen“ sein müssen, also in jedem Fall die Neuerung aus Sicht des Verfahrens, somit letztlich aus Sicht der Abgabenbehörde, zu beurteilen ist. 

Auch in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend § 304 BAO,das letztlich zu dessen Aufhebung und Neufassung mit 1.1.2019 geführt hat, wird diese – wie ich meine, gut nachvollziehbare – Rechtsauffassung vertreten.

Mit Ausnahme der Fälle des § 299 und des § 303 BAO, in denen eigene Bescheide über die Aufhebung bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens ergehen, muss der für die Änderung oder Berichtigung maßgebliche Verfahrenstitel im Spruch des Bescheides genannt werden. Das bedeutet, dass solche Bescheide auch in diesem Punkt anfechtbar sind, insbesondere wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass die für die durchgeführte Änderung oder Berichtigung erforderlichen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (z.B. Erlassung eines Bescheides nach § 295 Abs. 1 BAO, obwohl sich aus dem Grundlagenbescheid keine Änderungsnotwendigkeit für den abgeleiteten Bescheid ergibt) oder diese von der Änderungsbefugnis der herangezogenen Norm nicht umfasst sind. Letzteres wird insbesondere in den bereits genannten Teilrechtskraftfällen von Interesse sein. Ist die Anfechtung berechtigt, ist der zu Unrecht auf eine bestimmte Norm gestützte Bescheid ersatzlos aufzuheben.

In den Fällen der §§ 299 und 303 BAO ergehen eigene Bescheide über die Aufhebung eines Bescheides bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens, die letztlich als verfahrensrechtliche Grundlage für die Änderung des Sachbescheids dienen. Dieser ist in beiden Fällen zeitgleich mit dem verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen, d.h. die Aufhebung oder Wiederaufnahme darf nur aus Anlass einer notwendig gewordenen Änderung erfolgen und nicht etwa „auf Vorrat“. Folgerichtig scheidet ein solcher neuer Sachbescheid automatisch aus dem Rechtsbestand aus, wenn der Aufhebungs- oder Wiederaufnahmebescheid – z.B. infolge erfolgreicher Anfechtung – aufgehoben wird.

In allen Fällen der Abänderung oder Berichtigung von Bescheiden ist natürlich zu prüfen, ob nicht der Eintritt der Festsetzungs- oder Einhebungsverjährung einer solchen entgegensteht. Ungeachtet der Verjährung sind Aufhebungen nach § 299 BAO jedenfalls innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides von Amts wegen zulässig, oder auf Antrag, sofern der Antrag innerhalb dieser Frist gestellt wird. Berichtigungen nach § 293 BAO sind darüber hinaus innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des Bescheides zulässig bzw. ebenfalls auch danach, wenn ein Antrag innerhalb dieser Frist gestellt wird.

Weitere Ausnahmen von der einschränkenden Wirkung der Verjährung sieht § 209a BAO vor. Danach kann – kurz zusammengefasst – ein Bescheid trotz Eintritts der Verjährung erlassen werden, wenn damit ein Beschwerdeverfahren beendet wird oder ein vor Eintritt der Verjährung eingebrachter Antrag zu Grunde liegt. Seit der letzten Änderung ab 1.1.2019 ist eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nun auch nach Eintritt der Verjährung zulässig, wenn sie innerhalb der neuen Antragsfrist des § 304 lit b erfolgt. Meines Erachtens nicht ganz der ursprünglichen Intention des § 209a BAO entsprechend.

Einen Sonderfall i.Z.m. Rechtskraftdurchbrechungen stellt § 200 BAO dar, der die vorläufige Abgabenfestsetzung regelt. Ergeht ein Bescheid vorläufig (Spruchbestandteil), bedarf es keines weiteren Verfahrenstitels zur Abänderung, da sich die Änderungsmöglichkeit unmittelbar aus § 200 BAO ergibt.

Um die Rechtsbeständigkeit nicht komplett auszuhebeln, ist ein vorläufiger Bescheid jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig.

So muss eine zeitlich bedingte Ungewissheit im Tatsachenbereich vorliegen, nicht etwa eine solche bezüglich einer Rechtsfrage. Auch andauernde (nicht beseitigbare) Ungewissheiten erlauben ebenso wenig einen vorläufigen Bescheid wie solche, die sich durch ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren beseitigen ließen.

Inhaltlich muss also die Ungewissheit im Hinblick auf ein in der Zukunft liegendes Ereignis im Tatsachenbereich bestehen, das entscheidungsrelevant ist. Ein künftiges Ereignis kann nur dann entscheidungsrelevant sein, wenn es rückwirkende Bedeutung für die Höhe der festzusetzenden Abgabe hat. Insofern decken sich die Anwendungsbereiche des § 200 und des § 295a BAO, der ja ebenfalls zur Abänderung von Bescheiden dient, wenn dies auf Grund des Eintritts eines rückwirkend zu berücksichtigenden Ereignisses notwendig wird. Während jedoch § 295a BAO einen Teilrechtskraftsfall darstellt (arg „insoweit“), ist ein vorläufiger Bescheid in jeder beliebigen Hinsicht abänderbar. Umso mehr sollten daher vorläufige Bescheide genau überprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 200 BAO tatsächlich vorliegen, andernfalls gegen die Vorläufigkeit als Spruchbestandteil Beschwerde erhoben werden kann.

Ausgewählte Einzelfragen

Berichtigung gemäß § 293 BAO

Berichtigt werden kann nur ein Bescheid, der rechtswirksam geworden ist. Haften dem ursprünglichen Bescheid Mängel an, die dessen Nichtigkeit bewirken (z.B. fehlende Behördenbezeichnung, falsche Adressierung), können solche Mängel nicht im Rahmen einer Berichtigung saniert werden. Auch Bescheide, die bereits aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind (z.B. im Zuge einer Abänderung nach § 295 BAO), können nicht mehr berichtigt werden. Ein Berichtigungsbescheid fällt demnach automatisch weg, wenn der zu Grunde liegende Bescheid aufgehoben wird.

Wird ein mit Bescheidbeschwerde angefochtener Bescheid nachträglich berichtigt, ändert dies nichts an der Anfechtung. Diese bezieht sich in der Folge auf den Bescheid in seiner berichtigten Fassung. Davon zu unterscheiden sind die Fälle des § 253 BAO, in denen ein neuer Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides (der damit aus dem Rechtsbestand ausscheidet) tritt. In diesem Fall gilt die Beschwerde automatisch auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet, was letztlich aber zum selben Ergebnis führt, nämlich dass keine neuerliche Anfechtung erforderlich ist.

Rückwirkende Ereignisse gemäß § 295a BAO

Grundsätzlich wirken sich nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) eintretende Ereignisse nicht auf den Bestand oder Umfang des Abgabenanspruches aus. Eine Rückwirkung von Ereignissen kann sich nur aus den materiell-rechtlichen Abgabenvorschriften bzw. deren Auslegung ergeben. § 295a BAO dient als Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von Bescheiden, die vor Eintritt eines solchen Ereignisses erlassen wurden.

Anlass für eine Änderung nach § 295a BAO können z.B. der spätere Ersatz einer als außergewöhnliche Belastung (§ 34 EStG) geltend gemachten Aufwendung, Nachzahlungen ausländischer (anrechenbarer) Steuern, die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nach einer tarifbegünstigten Betriebsaufgabe oder -veräußerung oder die Einantwortung eines erblasserischen Vermögens, das zur Erzielung von Einkünften dient, sein. Kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 295a BAO stellt z.B. eine erstmalige oder geänderte Judikatur, die Änderung eines Erlasses des BMF oder der Verkauf einer (objektiv ertragsfähig vermieteten) Eigentumswohnung für Liebhaberei i.S.d. § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung dar.

Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO

Häufigster Praxisfall ist der sogenannte Neuerungstatbestand des § 303 Abs. 1 lit b) BAO. Dieser umfasst Tatsachen, also Sachverhaltselemente, die bei entsprechender Berücksichtigung zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt hätten. Während bei rückwirkend zu berücksichtigenden Ereignissen i.S.d. § 295a BAO die Tatsachen erst nach Ausstellung des Bescheides eintreten, liegt ein Neuerungstatbestand dann vor, wenn nach Ausstellung des Bescheides Tatsachen bekannt werden, die vor Ausstellung des Bescheides – i.d.R. vor oder mit Entstehen des Abgabenanspruchs – eingetreten sind. Ein Ereignis, das also in den Fällen des § 200 oder des § 295a BAO auf Grund seiner rückwirkenden Bedeutung zu einer Abänderung des Bescheides führen kann, kann gleichzeitig keinen Neuerungstatbestand i.S.d. § 303 BAO darstellen. Ebenfalls keinen Neuerungstatbestand können Umstände darstellen, die nicht im Tatsachenbereich gelegen sind, beispielsweise eine neue rechtliche Beurteilung durch Änderung der Verwaltungspraxis oder Judikatur. Auch ein erst nach Rechtskraft des Bescheides erstelltes Sachverständigengutachten ist kein neu hervorgekommenes Beweismittel; stützt es sich auf Tatsachen, die neu hervorgekommen sind, können diese als Wiederaufnahmegrund in Betracht kommen.

Zusammenfassung

Die Palette der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Abänderung von Bescheiden ist also vielfältig und die Anwendungsvoraussetzungen in der Judikatur teilweise durchaus umstritten.

Jedenfalls sollte im Fall amtswegiger Bescheidänderungen zum Nachteil der Partei neben der materiell-rechtlichen Beurteilung immer auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem angewendeten Verfahrenstitel erfolgen. Auch eine genaue Prüfung der Verjährungsfrage ist oftmals lohnend.

Erscheinungsdatum:

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